Scheideanstalten: Interview mit der Norddeutschen Edelmetall Scheideanstalt GmbH in Norderstedt
- Dietmar Kreutzer
- 18. Feb. 2020
- 3 Min. Lesezeit

Scheideanstalten recyceln Edelmetalle aus Metalllegierungen oder anderem Scheidgut. Die bekannteste Scheideanstalt Deutschlands war über Jahrzehnte die Degussa (Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt, gegründet 1873). In der Schmuck- und Uhrenstadt Pforzheim haben heute mit AGOSI, DODUCO und Heimerle & Meule gleich drei Unternehmen der Branche Ihren Sitz. Aber auch in anderen Orten gibt es Scheideanstalten. Für Münzen-Online sprach Dietmar Kreutzer mit den Geschäftsführern Dr. Mathias Kruse und Miriam Torbeck der Norddeutschen Edelmetall Scheideanstalt in Norderstedt bei Hamburg.
Frage: Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?
Dr. Mathias Kruse: Ich arbeite mit Edelmetallen, solange ich denken kann. Es begann im medizinischen Bereich. Als Techniker und Zahnarzt kam ich mit Dental-Legierungen in Kontakt. Hieraus entwickelte sich ab 1998 eine eigene Produktionslinie von zertifizierten Medizinprodukten. Im Scheidegeschäft waren das zuerst Dentallegierungen, später auch anderer Edelmetalle. Heute verarbeiten wir Edelmetalle zu Halbfabrikaten wie Barren, Anodenplatten, Blechen, Draht oder Granulaten. Mengenmäßig dominiert Silber, umsatzmäßig eindeutig Gold. Zurzeit werden Goldbarren stark nachgefragt. Im Januar 2017 haben wir eine neue Barren-Gussanlage in Betrieb genommen. Momentan besteht für manche Barren sogar eine Lieferzeit. Aus unseren Vorprodukten entstehen z.B. Scharniere für Goldschmiede und Vorstufen für Bleche und Drähte. Mit diesem Produktionsprofil sind wir hier im Norden Deutschlands eine Besonderheit.
Frage: Wer sind Ihre Kunden?
Dr. Mathias Kruse: Unsere Kunden kommen zur Hälfte aus dem gewerblichen Bereich, zur anderen Hälfte sind es Privatpersonen. Wir sind schon für zahlreiche Firmen tätig gewesen, die Gold verarbeiten, beispielsweise renommierte Juwelierketten oder Lifestyle-Produzenten, die Ihre Produkte mit Edelmetallen verfeinern. Sogar Behörden wie der Zoll zählen zu unseren Auftraggebern. Dort müssen angesammelte Asservate recycelt werden. Außerdem werden eingezogene Edelmetallprodukte, die Markenrechte verletzten, unter Behördenaufsicht im Schmelzprozess vernichtet. Das Edelmetallwerk bedient zudem Privatkunden, die Zahngold, Schmuck oder Münzen verwerten lassen möchten. Die Scheideanstalt bietet die Verwertung auch von Kleinmengen zu aktuellen Materialpreisen an. Die Edelmetalllegierungen werden entweder zum Feinmetallkurs oder zum Schmelzkurs der jeweiligen Edelmetalle angekauft.

Frage: Worin besteht der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen?
Dr. Mathias Kruse: Der Feinmetallkurs liegt sehr nah am Börsenkurs. Lediglich ein geringer Betriebsabzug fällt an. Zu diesem Kurs kaufen wir Barrenware und Bullionmünzen an, aber auch Scheidgüter für gewerbliche Lieferanten. Der Schmelzkurs ist ein Ankaufskurs, der bereits alle Gebühren für Scheidung oder Aufarbeitung enthält. Er liegt zurzeit ca. 1,90 Euro/pro Gramm unter dem Feinmetallkurs für Gold und steht für die Kosten der Materialaufarbeitung. Beim Ankauf zu Schmelzkursen fallen keine weiteren Scheidekosten oder Steuern an. Dieser Kurs ist im Geschäft mit Privatkunden besonders vorteilhaft und sucht seinesgleichen.
Frage: Sie sagen, viele Leute kommen aufgrund von Mundpropaganda. Mit welchen Problemen sind sie dann konfrontiert?
Miriam Torbeck: Echtheit und Feingehalte der eingelieferten Edelmetalle müssen zuverlässig überprüft werden. Hier helfen Verfahren wie die Massenspektrometrie, spezielle Ultraschall-Verfahren und der Einsatz ausgebildeter Sachverständiger. Wir als Fachbetrieb müssen gefälschte Münzen, Goldbarren oder Schmuck zweifelsfrei identifizieren können. In Asien wird sehr viel gefälscht, auch Edelmetalle. Goldbarren werden etwa mit billigem Wolfram versetzt, was nur schwer zu identifizieren ist. Nachgeprägte Sovereigns oder Reichsgold von Schmidt-Hausmann sind dagegen oft schon anhand der Prägefehler erkennbar. Problematisch sind leider die Phantasiepreise einiger Münz-Handelsgesellschaften. Es verlangt Takt und Mitgefühl, den Erben zu erklären, dass überteuert erworbene Sammlerkästen nur zum Materialwert gehandelt werden. Sammlerwerte sind hierfür nicht zu erwarten. Solche Praktiken haben uns lange zögern lassen, einen Shop für erhaltenswerte Münzen aus dem Scheidegeschäft zu eröffnen.
Frage: Ihr neuer Münzshop wird mit den Ankäufen bestückt?
Miriam Torbeck: Wir erhalten gelegentlich wertvolle Münzen, die zur Edelmetallverwertung zu schade sind. Nachlassverwalter, Erbengemeinschaften, Notare oder Rechtsanwälte reichen solche Münzen ein, aber auch Barren und weitere Erzeugnisse. Bullionmünzen werden von ihren Besitzern aus anderen Gründen verkauft. Hier bestimmt der „richtige Zeitpunkt“ den Verkauf, also die Ertragserwartung. Bei einer Gold- und Silberscheideanstalt mit eigenem Börsenhandel, also echten Handelskursen, ist der Ertrag sehr gut abzuschätzen.
Vor diesem Hintergrund haben wir 2015 einen kleinen Webshop gegründet, in dem handelsfähige Stücke angeboten werden. Unsere Kunden finden dort einige Sammlerstücke, zudem Anlagemünzen wie Krügerrand, Philharmoniker, Sovereigns. Gelegentlich sind auch Medaillen dabei, etwa die Aureus-Magnus-Dukaten. Daneben sind einige Silbermünzen im Angebot, die als differenzbesteuerte Ware günstig abgegeben werden können. So lassen sich die geringen Margen aus dem Scheidegeschäft etwas aufbessern. Außerdem stehen wir mit einigen Münzhändlern in Kontakt, an die wir seltene Stücke abgeben. Was sich nach einigen Monaten nicht absetzen lässt, geht in die Schmelze und findet eine neue Bestimmung als Edelmetall.
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