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Dietmar Kreutzer

Sans Souci in der Karibik: Die Münzen des Königs von Haiti


König Heinrich I. von Haiti (1767-1820). Bildquelle: Wikimedia, Duchess of Malfi.

Der Prunkbau in Milot nahe der Hafenstadt Cap-Haitien war nur eines von neun Schlössern und Landhäusern, die der größenwahnsinnige Heinrich I. in Auftrag gegeben hatte: „Das etwa acht Hektar große Gelände, das neben den Wohn- und Verwaltungsgebäuden und der Kapelle eine Bibliothek, eine Münze, ein Waffenlager, ein Krankenhaus und ein Gefängnis umfasste, wird von der Ruine der königlichen Residenz beherrscht. (…) Die Besucher gelangten zu den Empfangs- und Ballsälen, nachdem sie ein monumentales Portal durchschritten und die doppelläufige Freitreppe erklommen hatten. Die beiden Aufgänge säumt ein Brunnen, der in eine Nische unter dem mittleren Absatz eingelassen ist und von zwei mächtigen Pfeilern flankiert wird. Die drei Etagen des Hauptgebäudes hatten jeweils 23 Fenster. Bauhistoriker haben unter den Fundamenten der Ruine ein Netz von Röhren entdeckt, durch das frisches Wasser zur Kühlung der Räume geflossen ist. Auch die Bäder und die Wasserspiele im Palastgarten wurden daraus gespeist.“ (Werner Golder, Verrückte Liebe – Haiti, Irritation und Faszination, Würzburg 2009, S. 67).

Schloss Sans Souci bei Milot im Norden von Haiti. Bildquelle: Wikimedia, Kaupp.

Der dem Potsdamer Schloss Sanssouci nachempfundene Königspalast war zwischen 1810 und 1813 von tausenden Arbeitern errichtet worden. Auch seine Ausstattung sollte der von europäischen Residenzen entsprechen: „Das Interieur der Residenz stand der Fassade an Pracht und Glanz nicht nach. Die Wände waren mit echtem Mahagoni getäfelt und die Böden mit Parkett und aus Europa importiertem Marmor belegt. Wandteppiche, Gemälde, vergoldete Spiegel und die Lüster ließ Christophe ebenfalls vom alten Kontinent herbeischaffen.“ (Ebenda, S. 68). Heute ist der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Palast nur noch eine Ruine. Nach jahrelangem Verfall wurde er bei einem Erdbeben im Jahr 1842 zerstört und brannte bei einer anschließenden Feuersbrunst aus.


In dem von einer Sklavenarmee befreiten Haiti war im Jahr 1806 der schwarze Kaiser Joseph I. ermordet worden. Im Norden des Landes riss ein ehemaliger Sklave, der in den Revolutionsjahren zum Brigadegeneral aufgestiegen war, die Macht an sich: Henri Christophe. Im Jahr 1811 verwandelte er Haiti in eine Erbmonarchie und ließ sich als König Heinrich I. ausrufen. Das durch den Export von Kaffee und Tabak reich gewordene Land ermöglichte ihm ein komfortables Leben. Seine vorwiegend schwarzen Landsleute darbten dagegen. Seine Gegner warteten nur auf eine Möglichkeit, ihn abzusetzen. Im Jahr 1820 ergab sich die Gelegenheit: „Henri Christophe, der mit furchtbarer Grausamkeit geherrscht hatte, erlitt während der Messe einen Schlaganfall. Er war gelähmt, und einer seiner Herzöge, der Herzog von Marmelade, inszenierte einen Aufstand.“ (Siegfried Weyr, Geschichten aus dem alten Österreich, Wien 1995, S. 82). Von dem österreichischen Kaufmann Josef von Dietrich kaufte der Aufrührer Gewehre im Wert von 5.000 spanischen Piastern. Bezahlt wurde mit Kaffeebohnen. Der schwerkranke König Henri I. versuchte sich mit letzter Kraft zu wehen: „Er befahl eine Parade seiner Garde. So schrecklich war die Angst seiner bloßfüßigen Truppen vor ihm, dass sie aufmarschierten. Mit ungeheurer Willensanstrengung schleppte Henri Christophe sich aus dem Bett, zwängte sich in die weiße, goldgestickte Galauniform, und als er im Tor des Palastes erschien, rollte das Vive le Roi! noch einmal die Reihen entlang. Sein weißer Hengst wurde vorgeführt, er ergriff den Sattelknopf, suchte den Fuß in den Bügel zu setzen und – brach zusammen wie ein leerer Sack.“ (Ebenda, S. 83). Alles war verloren! In sein seidenes Bett verbracht, jagte sich der König eine Kugel ins Herz. Seine Regimenter liefen auseinander.

30 Soles (Probe, Henri Christophe als Präsident, 1808, Silber, 6,1 Gramm, 28,5 mm). Bildquelle: Saint James’s Auctions / CNG, Auktion 29, Los 1793.

Der Einfluss der französischen und spanischen Kolonialherren bewirkte, dass beider Zahlungsmittel im Land umliefen. Von König Heinrich I. ist bekannt, dass er Tausende von spanischen Piastern in seinem Palast hortete. Gerechnet wurde allerdings in französischen Livre: „Von 1807 bis 1850 gibt es eine Reihe von Kupferprägungen von dem Centime bis 6 ¼ Centimes sowie Silbermünzen in Nominalen wie 7 Sols 6 Deniers, 15 Sols, 6, 12, und 15 Centimes, in einem Typ auch zu 50 und 100 Centimes (…); die Münzen weisen das Prägejahr meist nur in der revolutionären, mit 1804 (gleich 1) beginnenden Zeitrechnung auf.“ (Herbert Rittmann, Moderne Münzen, München 1974, S. 283). Die zuletzt genannten Münzen, Teilbeträge des spanischen Piasters, wurden allerdings erst nach dem Tod von Heinrich I. geprägt. Der spanische Piaster hieß hier Gourde, was groß oder dick bedeutet. Nach einem Dekret von Henri Christophe aus dem Jahr 1813 trat der Gourde zu 100 Centimes an die Stelle der Livre. Das Wechselverhältnis lag bei 8 Livre und 5 Sous für den Gourde.

Krone (Probe, Henri Christophe als König, 1820, Silber, 35,6 Gramm, 37 mm). Bildquelle: Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett.

Mit der neuen Münzsorte, dem sogenannten haitianischen Dollar, wurde in der neuen Münzprägestätte von Sans Souci zu Lebzeiten des Königs aber nur experimentiert. Zu einer Serienprägung kam es nicht mehr. Einige Probestücke gelangten aber in internationale Münzsammlungen. Der Österreicher Josef von Dietrich, der zuvor die Gewehre an die Aufrührer geliefert hatte, durfte zum Dank einige Stücke nach Wien mitnehmen. Nach dem Tod des Königs hatten ihn die Aufständischen durch das Schloss geführt: „Sie mussten sich den Weg durch herabgerissene Seidendraperien und zertrümmertes Spiegelglas bahnen. Zum ersten Mal erblickten sie auf Haiti Glasfenster, Mahagonimöbel und neben Henri Christophes Schlafzimmer einen Baderaum. Im Audienzsaal schwebte eine riesige Krone aus vergoldetem Holz als Baldachin über dem Thron.“ (Siegfried Weyr, Geschichten aus dem alten Österreich, Wien 1995, S. 84).

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