Nun war das in Mysien im westlichen Kleinasien etwa 25 km vom Meer entfernt gelegene Pergamon zwar schon in archaischer Zeit besiedelt, doch historische Bedeutung erreichte es erst unter Philetairos (281-263 v. Chr.), dem späteren Begründer des Pergamenischen Reiches. Philetairos, den die Quellen als Eunuchen beschreiben, war Sohn des Makedonen Attalos und der Paphlagonierin Boa. Als Burgkommandant von Pergamon und Hüter des dort gelagerten Schatzes von 9.000 Talenten Silber (235,764 Tonnen) stand er zunächst im Dienst des Dokimos – eines Generals des Diadochen Antigonos´ Monophthalmos. Im Jahre 302 v. Chr. wechselte er jedoch die Fronten und trat in den Dienst des Diadochen Lysimachos. Da Lysimachos im Bündnis mit Seleukos und Kassandros den Antigonos 301 v. Chr. in der Schlacht bei Ipsos vernichtend schlug – Antigonos verlor in dieser Schlacht sein Leben –, blieb Philetairos Burgkommandant von Pergamon und Hüter des erwähnten Schatzes.
Zum Bruch mit Lysimachos kam es 283/282 v. Chr., nachdem Lysimachos seinen zum Nachfolger ausersehenen Sohn aus erster Ehe, Agathokles, infolge einer Intrige seiner dritten Ehefrau Arsinoe hinrichten ließ und Philetairos, der ein Anhänger des Agathokles gewesen war, um sein Leben fürchtend, von Lysimachos abfiel und sich unter den Schutz des Königs Seleukos´ I. Nikator stellte. Werner Huß zufolge war Agathokles jedoch nicht von Lysimachos hingerichtet worden, sondern von Ptolemaios, dem Sohn der Königin Arsinoe. „Die Intrigantin Arsinoe knüpfte die Fäden, ihr Sohn Ptolemaios führte die Tat aus: Agathokles wurde ermordet. ... Der Mörder des Agathokles ist Ptolemaios, der Sohn der Arsinoe, ...“ (Werner Huß, Ägypten in hellenistischer Zeit: 332-30 v. Chr., München 2001, S. 256 u. Fußnote 10).
In der Entscheidungsschlacht zwischen Lysimachos und Seleukos, die 281 v. Chr. bei Kurupedion stattfand, fiel Lysimachos und sein gesamtes Reich ging in den Besitz des Seleukidenkönigs über. Philetairos aber behielt sein Amt als Burgkommandant von Pergamon und die Obhut über den riesigen Schatz. Als dann etliche Monate später Seleukos ermordet wurde, löste Philetairos die Leiche des Ermordeten von seinem Mörder, Ptolemaios Keraunos, aus und schickte die Asche an den Sohn des Seleukos, Antiochos I., der das Seleukidenreich nun alleine regierte. Da Antiochos in der Folge alle Hände voll zu tun hatte, das riesige Reich zusammenzuhalten – zwischen 274 und 271 v. Chr. kämpfte er beispielsweise mit Ptolemaios II. um Koile-Syrien im 1. syrischen Krieg –, konnte sich Philetairos zum lokalen Dynasten von Pergamon und Umgebung aufschwingen; zu einem Dynasten, der zwar noch unter seleukidischer Oberhoheit stand, praktisch aber selbständig war; zu einem Dynasten, der in Pergamon den Demetertempel errichten ließ und der die attalidische Politik, in griechischen Städten durch Stiftungen und Spenden Einfluss zu gewinnen, begründete. Weil Philetairos als Eunuch keine Nachkommen hatte, adoptierte er zunächst seinen Neffen Attalos und dann seinen weiteren Neffen Eumenes. Nach seinem Tod 263 v. Chr. wurde er als „euergetes“ (Wohltäter) verehrt.
Münzen mit seinem Porträt prägte Philetairos keine, solche im eigenen Namen allerdings schon. Diese tragen vorderseitig das nach rechts gewandte Porträt Seleukos´ I. Nikator und rückseitig die von den Lysimachos-Münzen entlehnte und nur leicht umgestaltete Göttin Athena.
Erst sein Neffe und Nachfolger Eumenes I. (262-241 v. Chr.), der Antiochos I. in der Schlacht von Sardeis besiegt und so die Selbstständigkeit des Pergamenischen Reichs errungen hatte, ließ Münzen im Namen des Philetairos schlagen, die auf ihren Vorderseiten das Porträt des Dynastiegründers und auf ihren Rückseiten die thronende Göttin Athena zeigen.
„Insbesondere auf den frühen Münzen erscheint das Philetairos-Porträt sehr realistisch. Seine unschönen, fülligen und eunuchenhaften Züge, die kleinen tiefliegenden Schweinsaugen sind ohne Idealisierung wiedergegeben. Gleichzeitig bringen die Porträts aber auch die Energie dieses geschickten Taktikers zum Ausdruck“ (Dietrich O. A. Klose, Von Alexander zu Kleopatra, Herscherporträts der Griechen und Barbaren, München 1992, S. 57). Trägt Philetairos auf den frühesten Müzen des Eumens eine Tainia bzw. ein Diadem im Haar, so ist es nur wenig später ein mit einem Diadem umflochtener Lorbeerkranz.
Jedoch behielt Eumenes I. das Rückseitenbild der Tetradrachmen des Philetairos, das von den Tetradrachmen des Lysimachos entlehnt war, ebenso bei wie die Aufschrift PHILETAIROU, die „[Münze] des Philetairos“ bedeutet. Numismatisch-propagandistisch betrachtet, verband er seine Herrschaft als Dynast des Pergamenischen Reiches aufs Engste mit der des vergöttlichten Dynastiegründers Philetairos, ohne jedoch selbst auf den Münzen jemals in Erscheinung zu treten – weder bildlich noch namentlich.
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