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Dietmar Kreutzer

Mit Dr. Gustav Nachtigal durch Tripolitanien – Teil 2

Während seiner Tätigkeit als Leibarzt des Bey von Tunis wurde König Wilhelm I. von Preußen auf Dr. Gustav Nachtigal aufmerksam. Er beauftragte ihn 1868 mit einer Mission an den Tschadsee. Dem Herrscher von Bornu, einem Reiches zwischen den heutigen Staaten Nigeria, Niger und Tschad, sollte eine Kollektion von Geschenken überbracht werden. Scheich Omar hatte sich mehrfach gegenüber deutschen Forschungsreisenden besonders gastlich gezeigt. Auf dem Rücken von Kamelen sollten ein goldgerahmtes königliches Großporträt und ein pompöser Thronsessel transportiert werden. In Tripolis, damals Hauptstadt der osmanischen Provinz Tripolitanien, bereitete sich Nachtigal auf die lang andauernde Reise vor: „Ich begleitete Mohammed el-Qatrûnî auf den Wochenmarkt, wo er die noch fehlenden Reise-Utensilien einkaufen sollte, um von seiner Erfahrung zu profitieren. Die zirkulierende Münze ist der türkische Piaster – Ghirsch et-Turkî -, der aus zwei Zwanzig-Para-Stücken – Abu Aschrin, d.h. Vater der zwanzig – besteht und von dem wieder zwanzig einen Mahabub darstellen. Der letztere ist eine imaginäre Münze, figuriert aber nach dem türkischen Piaster am häufigsten in der Rechnung. Ihm am nächsten steht der Fünf-Franken-Taler, welcher durchschnittlich 23 türkische Piaster enthält; dann folgt der österreichische Maria-Theresia-Taler – Abû Teïr, d.h. Vater des Vogels, nach dem Doppeladler auf der einen Bildfläche so genannt. Er hat je nach dem Kurs einen Wert von 23 bis 25 Kolonnaten-Taler. Er ist nach den Säulen des Herkules auf seiner einen Bildfläche benannt, welche die Araber für Kanonen genommen haben und Abu Medf’a, d.h. Vater der Kanone heißt.“ (Gustav Nachtigal: Tibesti, Tübingen 1978, S. 43)

Historische Marktszene in Tripolis. [Bildquelle: HipPostcard, Lynxstamps]

Nach dem Aufbruch in die südliche Provinz Fezzan sind türkische Piaster allerding nicht mehr überall akzeptiert worden. Schließlich kam Nachtigal in Regionen, in denen lediglich Maria-Theresia-Taler in Zahlung genommen wurden. Im 19. Jahrhundert war der Maria-Theresia-Taler anerkanntes Zahlungsmittel in weiten Teilen Afrikas und anderen Teilen der Welt. Infolge der zerrütteten Währungsverhältnisse im Osmanischen Reich hatte dieser werthaltige Taler aus dem Sterbejahr der österreichischen Kaiserin immer mehr an Bedeutung gewonnen. Er hatte sich über das gesamte Einflussgebiet des arabischen Handels ausgebreitet: „Die Araber nahmen diesen Taler gerne; er wurde zu dem Maria-Theresia-Taler, den Österreich seither unverändert weiterprägte, auch als der Konventionsfuß im Jahre 1858 längst aufgegeben war. Sein sauberes Gepräge, die gegen Beschneiden sichernde Randschrift, vielleicht der vollbusige Anblick der Kaiserin mögen ihn den Arabern empfohlen haben. Seine Verbreitung ging bald über die Grenzen des Türkischen Reichs hinaus und erstreckte sich in Innerasien (bis Westchina) und Afrika so weit, wie der Einfluss des Islam, d.h. des arabischen Handels reichte.“ (Herbert Rittmann: Moderne Münzen, München 1974, S. 290ff.) Der Taler war auch in der osmanischen Provinz Tripolitanien und den südlich davon gelegenen Wüstengebieten sowie im sogenannten Bornu-Reiche verbreitet.

20 Piaster (Osmanisches Reich, 1876, 830er Silber, 24 Gramm, 37 mm). [Bildquelle: Teutoburger Münzauktion, Auktion 127, Lot 2855]

Mit einigen hundert Maria-Theresia-Talern war der Tross von Nachtigal aufgebrochen. Bald schmolz der Vorrat aber zusammen. Geschenke für die regionalen Herrscher am Wegesrand mussten beschafft werden: „Es gelang mir in Mursuk selbst ein halbes Dutzend roter Tuchburnusse und drei indigogefärbte, schwarzblaue Sudangewänder aufzutreiben. Jene wechselten in ihrem Preise von zwölf bis 20 Maria-Theresia-Talern […], ohne dass der Mottenfraß, der einige derselben gründlich zerstört hatte, eine Ermäßigung des Preises mit sich gebracht hätte.“ (Nachtigal, S. 112) Ein einheimischer Führer in der Region Tibesti fiel durch besondere Maßlosigkeit seiner Forderung auf: „Dieser Blutegel verlangte nun im Bewusstsein der Konkurrenzlosigkeit den ungeheure Preis von acht Maria-Theresia-Talern für den viertägigen Weg, während das Kamel der Kintâfo, das Bû Zeïd nach Bardaï gebracht hatte, für den Hin- und Rückweg nur fünf Taler, d.h. einen Taler mehr, als die Sitte rechtfertigte, gekostet hatte.“ (Ebenda, S. 174) Bald war der gesamte Vorrat ausgegeben: „Der Bruder Kolokomis, der nun schon wochenlang mit uns herumgezogen war ohne den geringsten Erfolg seiner spekulativen Anhänglichkeit, erhielt die letzten drei Taler, zwölf Drâ Châm, den Tarbûsch Buï Mohammeds, und gab sich nicht eher zufrieden, als bis er noch einen Schuldschein über sieben Maria-Theresia-Talern in Händen hatte.“ (Ebenda, S. 202)

Maria-Theresia-Taler (833er Silber, 1780, 28 Gramm, 40 mm). [Bildquelle: MA-Shops, Koci]

Bei Scheich Omar im Reiche Bornu angekommen, konnte Nachtigal im Juni 1870 schließlich die Geschenke von König Wilhelm I. übergeben: „Mit einer gewissen Aufregung folgte ich der Auspackung des Thronsessels und hatte die große Freude, ihn in seiner ganzen ursprünglichen Pracht und Herrlichkeit seinem jahrelangen Gefängnisse entsteigen zu sehen. Seine vortreffliche Polsterung in Sitz und Lehne, der schöne Überzug aus rotem Sammet, die reichliche Vergoldung der kunstvoll geschwungenen Füße und Armlehnen gewannen die vollste Bewunderung des Fürsten.“ (Ebenda, S. 247) Auch das lebensgroße Gemälde des Königs hatte die Reise gut überstanden. Auf dem Markt der Hauptstadt Kûka sah der Reisende nicht nur die vielen Lebensmittel, sondern auch die Buden der Sklavenmakler und Elfenbein, welches für 50 Maria-Theresia-Taler pro Zentner angeboten wurde. Vor der Abreise von Nachtigal verstarb überraschend der Regierungschef des Scheichs. Der europäische Reisende erfuhr, welche Vermögenswerte der Würdenträger angehäuft hatte: „Die Hinterlassenschaft hatte, wie man sagte, mehrere Tausend Sklaven, nahezu 1.000 Hengste und viele Zuchtstuten, Tausend Stück Rindvieh, 27 Kammern mit Vorräten in Stoffen und anderen Marktwerten, etwa 1.000 Schwerter, 500 Schilde, mehrere Hundert Flinten und Karabiner, 200 Panzerhemden und 20.000 bare Maria-Theresia-Taler, eine für dortige Verhältnisse allerdings höchst glänzende Hinterlassenschaft, ergeben.“ (Ebenda, S. 261f.)

Dr. Gustav Nachtigal bei Scheich Omar von Bornu (1869). [Bildquelle: Nachtigal, Tibesti]

Es handelt sich hierbei um Teil 2 unserer Reise durch Afrika mit Dr. Nachtigal. Den ersten Teil können Sie über diesen Link lesen.

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