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Helmut Caspar

Krönungsmedaillen aus Silber und Gold

In der preußischen Geschichte hat es nur zwei Königskrönungen gegeben – die Friedrichs I. im Jahr 1701 und die Wilhelms I. im Jahr 1861. In beiden Fällen war Königsberg, die Hauptstadt des souveränen Herzogtums Preußen, Ort aufwändiger Zeremonien, mit denen die Monarchie all ihren Glanz und ihre Macht zur Schau stellte. Die übrigen preußischen Könige beließen es nach ihrer Thronbesteigung bei Erbhuldigungen, bei denen die Untertanen auf die neuen Herrscher eingeschworen wurden. Die mit viel Glanz, Empfängen, Lustbarkeiten, Bällen und Paraden verbundenen Festlichkeiten gaben den Hohenzollern Gelegenheit, sich und ihr Gottesgnadentum zur Schau zu stellen, ihre Regierungsprogramme zu verkünden und die Zeitgenossen durch üppige Prachtentfaltung in Erstaunen zu versetzen.

Ob Krönung oder Huldigung – Stempelschneider hatten alle Hände voll zu tun, das mit Gnadenerweisen, Amnesien und einem großen Volksfest mit Verteilung zum Beispiel von gebratenem Ochsenfleisch und aus Brunnen fließendem Wein verbundene Ereignis gebührend zu würdigen. Bei dieser Gelegenheit wurden nach alter Tradition von Herolden kleine Medaillen unters Volk geworfen und große, aufwändig gestaltete Prägungen aus Gold und Silber an gekrönte Häupter und ihr Gefolge vergeben. Auf vielen Stücken ist vermerkt, unter welches Motto der neue Herrscher seine Regentschaft stellte. So wurden Frömmigkeit und Eintracht, öffentliches Glück, Tüchtigkeit, Gerechtigkeit und Treue, Moral sowie Frömmigkeit und andere Tugenden beschworen. Dass dies auf der anderen Seite vielfach nur Lippenbekenntnisse waren, muss man sich beim Anblick der in der numismatischen Literatur gut dokumentierten Stücke hinzu denken.

Johann Wolfgang von Goethe hat als Fünfzehnjähriger das Auswerfen von Krönungsmünzen im Jahr 1764 in Frankfurt am Main beobachtet. Anlass war die durch zahlreiche Münzen und Medaillen dokumentierte Krönung Kaiser Josephs II., dem Sohn von Kaiser Franz I. und seiner berühmten Gemahlin Maria Theresia. In seinem Erinnerungsbuch „Dichtung und Wahrheit“ notierte der alte Goethe seine Eindrücke so: „Aller Augen warteten auf den Erbschatzmeister, der das Geld auswerfen sollte. Er bestieg ein schönes Ross, dem zu Seiten des Sattels anstatt der Pistolenhalftern ein Paar prächtige, mit dem kurpfälzischen Wappen bestickte Beutel befestigt hingen. Kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, als er in die Taschen griff und rechts und links Gold- und Silbermünzen freigebig ausstreute, welche jedes Mal in der Luft als ein metallener Regen gar lustig glänzte. Tausende Hände zappelten augenblicklich in die Höhe, um die Gaben aufzufangen; kaum aber waren die Münzen niedergefallen, so wühlte die Masse in sich selbst gegen den Boden und rang gewaltig um die Stücke, welche zur Erde mochten gekommen sein […] Zum Schlusse ging es am allerlebhaftesten her, als er die Beutel selbst auswarf und ein jeder noch diesen höchsten Preis zu erhaschen trachtete“.

Auch aus anderen Krönungsstädten, etwa Königsberg, ist die „Preisgebung des Tuches“ überliefert, auf dem sich der Krönungszug fortbewegt hat. Solche Stofffetzen waren begehrte Reliquien. König Wilhelm I., ab 1871 deutscher Kaiser, hatte dort 1861, 160 Jahre nach seinem Vorfahren Friedrich I., gegen manche Widerstände am Hof die Tradition seiner eigenen Krönung und die seiner Gemahlin Augusta neu belebt. Das Datum 18. Oktober 1861 war nicht zufällig gewählt, denn dieser Tag war vielen Deutschen als der Tag der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahre 1813 geläufig. In Königsberg setzte sich Wilhelm I. eine neue, dem diamantenen Diadem von 1701 nachempfundene Krone auf und tat dies danach bei Königin Augusta. Der Ablauf der Zeremonie richtete sich im Wesentlichen nach der von 1701.

Eigentlich sah die preußische Verfassung von 1850 eine Krönung nicht vor, doch verstand es Wilhelm I., Einwände des Staatsministeriums mit dem Versprechen zu entkräften, er wolle die Kosten – man rechnete mit über 315.000 Talern – aus eigener Tasche bezahlen. Die Ausrufung Wilhelms I. zum deutschen Kaiser am 18. Januar 1871, dem 170. Jahrestag der Königskrönung Friedrichs I., verlief ohne größeres Zeremoniell und ohne Kaiserkrone. Im Dreikaiserjahr 1888 verzichteten der todkranke Friedrich III., bekannt als 99-Tage-Kaiser, und sein Sohn Wilhelm II. auf Krönungen.


Bei der Betrachtung des in einer Auflage von einer Million Exemplaren in Berlin geprägten und daher auch heute häufig vorkommenden Krönungstalers von 1861 fällt auf, dass darauf außer Wilhelm I. auch dessen Gemahlin Augusta porträtiert ist. Eigentlich war die geborene Prinzessin von Sachsen-Weimar und Eisenach nur „zweite Wahl“, denn Prinz Wilhelm, der spätere König und Kaiser, schwärmte für eine andere Herzensdame, nämlich Prinzessin Elisa Radziwill. Weil es aber die Hohenzollernschen Ehegesetze so verlangten, verzichtete Wilhelm auf seine Jugendliebe. Ein Konkubinat kam für ihn, der wegen der Kinderlosigkeit seines älteren Bruders Friedrich Wilhelm IV. zum Thronfolger auserkoren war und die Thronfolge durch Zeugung eines Knaben sichern musste, nicht in Frage. Die Ehe, die Wilhelm mit Augusta einging, soll nicht konfliktfrei verlaufen sein, die Sprösslinge waren aber standesgemäß, und das allein zählte. Von Konflikten ist auf den Medaillen und Staatsgemälden, die dem Königspaar gewidmet wurden, selbstverständlich nichts zu sehen. #Preußen #Krönung #WilhelmI #Kaiser #König #Königsberg #Jeton #Auswurfjeton #Auswurfmedaille #Gedenkmünze #Kaiserkrönung #Herold #Krönungsdukat #JohannWolfgangVonGoethe #FrankfurtAmMain #HelmutCaspar

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