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Dietmar Kreutzer

Kolumbien: Aufstieg und Fall des Goldpesos

Nach der Pariser Münzkonferenz von 1867 hatte sich Kolumbien an einer Doppelwährung aus Gold und Silber versucht, ohne Erfolg. Am 25. Oktober 1903 nahm der Andenstaat den Goldstandard an. Mit seinen einheimischen Goldvorkommen schien er dafür prädestiniert zu sein. Mit Gesetzen vom 12. Juni 1907 und vom 2. Dezember 1912 wurde der goldene Peso eingeführt, dessen Wechselkurs zum britischen Pfund bei fünf Pesos lag. Im Jahre 1913 kamen die ersten Goldmünzen zu 5 und 2,5 Pesos heraus. Sie hatten das gleiche Gewicht und dieselbe Legierung wie der britische Sovereign beziehungsweise der halbe Sovereign. Der Tausch der alten Scheine des „Peso Moneda Corriente“ ließ jedoch auf sich warten. Erst im Jahre 1915 wurde mit dem Umtausch des alten Papiergeldes zu einem Kurs von 1:100 in neues begonnen. Mit den neuen Banknoten des Peso Oro war ein Anspruch auf die Einlösung in Goldmünzen verbunden. Im Herbst 1918 beschloss die Regierung die Prägung weiterer Gold- und Silbermünzen für den regulären Umlauf. Auch eigenes Gold konnte in den Prägestätten von Bogota und Medellin zum Festpreis eingeliefert und in Goldmünzen getauscht werden. Zugleich wurde der Export von Gold verboten. Neben den bisher umlaufenden Goldmünzen sollte auch eine neue Wertstufe zu 10 Pesos eingeführt werden. Die Herstellung der nötigen Stückzahlen an Münzgeld warf jedoch Probleme auf. Da ergab sich mit dem Preisanstieg für Kaffee ein Überschuss in der Handelsbilanz. Ausgeglichen wurde er mit Münzgold: „Im Lauf des Jahres 1919 kam es zu umfangreichen Einfuhren amerikanischer Goldmünzen, die auf etwa neun Millionen US-Dollar geschätzt wurden.“ (P. L. Bell: Colombia - A Commercial and Industrial Handbook, Washington 1921, Seite 59) Der kolumbianische Peso erreichte an der New Yorker Börse fast einen Gleichstand zum Dollar. Der Mangel an Münzgeld konnte nun überraschend mit Dollars ausgeglichen werden: „Zunächst war es sehr schwierig, amerikanische Goldmünzen in Umlauf zu bringen, da ihr Transport im Land sehr teuer und gefährlich war und die Bevölkerung Papiergeld bevorzugte. Lediglich im Departement Antioquia war man an den Umgang mit Gold gewöhnt. Dies führte dazu, dass die amerikanischen Goldmünzen in kolumbianische umgeprägt wurden, welche im Gewicht und der Legierung englischen Goldmünzen entsprachen.“ (Ebenda)

Wegen der geringen Kapazität der Münzstätte, die schon mit der Prägung des einheimischen Goldes ausgelastet war, gab es neue Schwierigkeiten. Die Arbeiter in Medellin arbeiteten Tag und Nacht, konnten aber die Münzen nicht so schnell herstellen wie sie nachgefragt wurden: „Schließlich erklärte die Regierung im Juli 1919, dass amerikanische Goldmünzen an den Zollstellen und für alle in Gold zu entrichtenden Steuern wie englische und kolumbianische Goldmünzen akzeptiert werden sollten. Das Ergebnis war, dass amerikanische Goldmünzen im ganzen Land in den freien Verkehr gebracht wurden.“ (Ebenda) Laut einer amtlichen Mitteilung aus dem Büro des kolumbianischen Staatspräsidenten vom 30. Juni 1919 befanden sich damals 7,7 Millionen Pesos in kolumbianischen Goldmünzen im Umlauf, außerdem 10,18 Millionen Pesos in Papiergeld, 6,46 Millionen Pesos in Silbermünzen, 1,194 Millionen Pesos in Nickelmünzen, 3,2 Millionen Pesos in Schatzanweisungen und Gutscheinen sowie 1,2 Millionen Pesos als Hypothekenanleihen. Die Geldmenge insgesamt belief sich somit auf 29,934 Millionen Pesos: „Zu dem oben genannten Betrag sind noch eine geringe Menge englischer Goldmünzen im Lande und etwa 9,0 Millionen US-Dollar an Goldmünzen der Vereinigten Staaten hinzuzurechnen, die 1919 nach Kolumbien eingeführt wurden.“ (Ebenda, Seite 72) In einem Bericht der US-Botschaft von Anfang 1921 heißt es: „Seit dem angegebenen Datum ist es wegen der Goldhortung infolge der unsicheren Wirtschaftslage des Landes immer schwieriger geworden, den Goldumlauf zu bestimmen. Ende November 1920 dürfte er aber bei etwa sieben bis neun Millionen Dollar gelegen haben.“ (Ebenda, S. 60)

Im Verlauf des Jahres 1920 kam es durch einen internationalen Verfall der Preise zu einer schweren Handels- und Finanzkrise in Kolumbien. Der US-Währungsexperte Edwin Kemmerer sollte das Land vor dem Zusammenbruch retten. Der Professor aus Princeton initiierte zahlreiche Reformen und setzte die Gründung der Banco de la República durch. Die Währung stabilisierte sich. Im Jahr 1924 gab es sogar neue Goldmünzen. Das Land schien wieder kreditwürdig zu sein! Bis 1931 stiegen die Auslandsschulden der Regierung jedoch von 19 auf 81 Millionen Pesos. Das Geld kam vor allem aus Nordamerika: „Kemmerers System des Goldstandards und das US-Kapital waren die Grundlage für eine Ära beispiellosen Wohlstands von 1923 bis 1928. Während sich die Umlaufmenge des kolumbianischen Geldes fast verdoppelte, verdreifachten sich Außenhandel, Staatshaushalt sowie Bankeinlagen und -kredite. Trotz dieses Booms blieb Kolumbien aber deutlich hinter den wohlhabenderen Nationen Südamerikas zurück.“ (Paul W. Drake: The Money Doctor in the Andes – the Kemmerer Missions 1923-1933, Durham 1989, S. 30) Wofür die Kredite eingesetzt wurden, erscheint heute kurios. Eine Eisenbahnlinie sollte Medellin mit dem Atlantik verbinden. Während die Zentralregierung einen teuren Tunnel bohren ließ, bauten die lokalen Behörden an einer Straße über die Berge hinweg. Das Bahnprojekt wurde eingestellt. Von den vielen Pleiten jener Jahre erzählen die Einheimischen noch heute: „Wissen Sie, was mit der Bahn von Bogotá nach Puerto Salgar weiter oben an diesem Fluss geschah? Dort machte man es umgekehrt: man begann gleichzeitig an beiden Enden. Als man endlich zusammenkam, entdeckte man, dass man auf der einen Seite die Spurweite von einem Meter, auf der anderen die von einem Yard gewählt hatte. Eine Zeitlang hatten darauf die Passagiere das Vergnügen, mitten auf ihrer Reise umzusteigen, bis man schließlich die ganze Geschichte auf einen Yard umnagelte. In diesem Augenblick kamen ein paar wunderbare neue Lokomotiven an, die vor einer ganzen Weile bestellt worden waren. Spurweite ein Meter!“ (Peter Schmid: Nachbarn des Himmels. Reise durch Lateinamerika, Stuttgart 1953, S. 194) Als Großbritannien im Zuge der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1931 die Goldbindung des Pfundes aufgeben musste, wertete auch Kolumbien den Peso ab. Der Goldstandard war gescheitert. Als im Jahre 1932 die Kredite ausblieben, leistete Kolumbien den Offenbarungseid. Das Land war pleite. Nach dem Krieg gegen Paraguay kam 1935 der zweite Bankrott.

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