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Dietmar Kreutzer

Italien im Zweiten Weltkrieg: Königliche Beute


Italiens letzter König Viktor Emanuel III. war zeitlebens ein passionierter Münzsammler. Fast 110.000 Stück hat er über die Jahrzehnte zusammengetragen. Über das Schicksal seiner Sammlung im Zweiten Weltkrieg sind jedoch nicht alle Details bekannt. Nach dem Sturz von Mussolini hatte Viktor Emanuel III. im September 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten verkündet. Daraufhin besetzte die Deutsche Wehrmacht den Norden Italiens. Um einer Verhaftung zu entgehen, setzten sich der König und seine Familie zur Übergangsregierung in Brindisi ab. Das Gros seiner Münzen musste er jedoch in Rom zurücklassen. Über die weiteren Ereignisse ist oft fehlerhaft berichtet worden: „Im Übrigen war die bedeutende Münzsammlung während der deutschen Besatzung gestohlen worden und blieb noch lange Jahre nach dem Krieg verschollen. Aus dem in der RIN (Rivista Italiana di Numismatica, d.A.) 1949 veröffentlichten Nekrolog von Viktor Emanuel III., der am 28. Dezember 1947 verstarb, ist zu entnehmen, dass man die Sammlung wieder aufgefunden hat, aber in welchem italienischen Museum sie heute verborgen wird, hat die Verfasserin dieses Artikels leider nicht ausfindig machen können.“ (Ursula Kampmann: Ein König in Nöten – Die gestohlene Münzsammlung von Vittorio Emanuele III., in: MünzenRevue, Heft 5/2005, S. 21) Um Licht in die Angelegenheit zu bringen, ist zunächst ein Blick auf den Fortgang der Ereignisse im Spätsommer 1943 vonnöten. Während des Krieges hatte der König beschlossen, seine riesige Sammlung an einen bombensicheren Ort zu bringen.

Zusammen mit Pietro Oddo, seinem numismatischen Mitarbeiter, verpackte er monatelang jedes einzelne Exemplar und legte es mit Listen und weiteren Dokumenten in Holzkisten. Danach wurden die Kisten in die Villa Savoia und später auf das königliche Landgut Pollenzo bei Alba gebracht. Nach dem Einmarsch der Deutschen setzte das neue Marionettenregime unter Benito Mussolini einen Konfiskator für das Vermögen des ehemaligen Königshauses ein. Die Deutschen entschieden aber zunächst, die Münzsammlung von Viktor Emanuel III. nach München zu bringen. Mussolini bat jedoch wenig später bei Hitler um die Rückgabe der Kisten. Seine Bitte begründete er mit dem öffentlichen Aufsehen, das durch die Aneignung fremden Vermögens ausgelöst werden könnte. So kam die Sammlung Anfang Januar 1944 zurück nach Italien. Als die Kisten dort auf Vollständigkeit überprüft wurden, stellte man allerdings fest, dass viele Goldmünzen fehlten. Im April 1945 entdeckte die amerikanische Armee auf ihrem Vormarsch die Sammlung in Bozen. Sie wurde nach Rom gebracht. Einen kleinen Teil der Münzen hatte Viktor Emanuel III. auf der Flucht mitgenommen. Von ihrem Schicksal erzählt ein Beitrag, der vor längerer Zeit in einer numismatischen Zeitschrift in Italien erschien. Der Autor des Beitrages bezieht sich auf einen Zeugen, der im Sommer 1943 auf dem Militärflughafen von Brindisi tätig war: „Am 10. September lief das Schiff Baionetta im Hafen ein, an Bord viele berühmte Personen, allen voran König Viktor Emanuel III., der mit Marschall Badoglio floh. Wie andere Soldaten beobachtete unser Zeuge die Landung und sah einige Stunden später, wie vierzehn Militärkisten ausgeladen wurden, dreizehn große und eine kleine, in Tarnfarbe und mit dem Stempel auf einer Seite Corpus Nummorum Italicorum. Die Kisten wurden sofort von der Marine übernommen, blieben im Hafen von Brindisi und wurden rund um die Uhr bewacht.“ (Lorenzo Bellesia: Una nuova versione sulle vicende della collezione reale dopo l‘8 settembre; in: Panorama Numismatico, Ausgabe 124/1998, S. 11) Nach 15 Tagen wurden die Kisten vom Hafen abgeholt und unter das Kommando der Marine von Brindisi gestellt. Danach sollten sie nach Neapel in die Residenz von Viktor Emanuel III. überführt werden. Während des Transfers fiel aufgrund des schlechten Straßenzustandes in Neapel eine Kiste vom Wagen und brach entzwei: „Sofort tauchten Schwärme von Kindern auf und griffen nach allem, was sich sammeln ließ, vor allem nach großen Gold- und Silbermünzen.“ (Ebenda) Die begleitenden Soldaten konnten die Kinder nicht sofort vertreiben. Einige der gestohlenen Münzen sind somit verlorengegangen.

Am 9. Mai 1946 schenkte der König seine Sammlung dem italienischen Volk. Zunächst ging sie zur Erfassung der Bestände an das Institut für Numismatik. Im Jahr 1971 wurde die Kollektion dann an das Museo Nazionale Romano in Rom überstellt. Im Jahr 1983 konnte sie um die Münzen des Hauses Savoyen ergänzt werden, die König Viktor Emanuel III. auf seinem Weg in seinen ägyptischen Exilort mitgenommen hatte. Gelagert wird die Sammlung im Münzkabinett des Palazzo Massimo alle Terme, einem der fünf Gebäude des Nationalmuseums. Ein Teil der Objekte ist in den Sälen ausgestellt, ein anderer befindet sich in einem der unterirdischen Tresorräume.



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