Seit über 20 Jahren stellt Michael Kurt Sonntag monatlich die Münzneuheiten in der MünzenRevue vor. Münzen-Online hat ihn zu seinen Erfahrungen befragt.
Münzen-Online: Was hat sich in dieser langen Zeit am Markt verändert?
Michael Kurt Sonntag: Verändert haben sich insbesondere vier Dinge: Im Zuge der EU-Erweiterung sind neue Euro-Staaten hinzugekommen. Zuletzt war das Kroatien im Jahr 2023. Die Auflagen der Münzausgaben sind allgemein zurückgegangen, was viele Sammler freut. Wenn die Auflagen zu hoch sind, steigen Münzen ja kaum im Wert, sondern verbleiben in der Nähe des Edelmetallpreises, sofern es sich um Edelmetall-Ausgaben handelt. Deutschland hat zwar immer noch sehr hohe Auflagen, verglichen mit Frankreich beispielsweise. Die Stückzahlen sind aber auch bei uns deutlich gesunken. Von den 100 Euro in Gold gab es etwa im Jahr 2002 noch 100.000 Exemplare pro Münzstätte, im Jahr 2023 nur noch 17.300 pro Münzstätte. Das ist aus meiner Sicht eine erfreuliche Entwicklung. Leider haben wir im Unterschied zu den meisten Staaten fünf und nicht nur eine Münzstätte. Im Falle der Goldausgaben prägen auch alle fünf aktiv. Zugenommen hat die Zahl der unedlen Ausgaben, vor allem solcher aus Kupfernickel, Kupfer, Messing, Nickelmessing, Bronzital, und sogenannter innovativer Münzen. Das sind Münzen, die im Dunkeln oder unter UV-Licht leuchten oder in die farbige Polymerringe eingebaut sind bzw. die Farbapplikationen haben. Außerdem ist das Repertoire der Ausgaben größer geworden. Es werden also mehr Themen abgedeckt. Damit gibt es eine größere Vielfalt der Motive. Ich spreche nicht nur von Sport- und Olympiamünzen oder solchen zu Persönlichkeiten aus Geschichte, Wissenschaft, Kunst, Architektur, Malerei. Auch gefährdete bzw. endemische Tiere und Pflanzen werden nun gezeigt, Architekturmotive, Märchen- oder Zeichentrickfiguren etc.
Münzen-Online: Die Prägefreude der Monnaie de Paris ist schon seit längerer Zeit ein Gesprächsthema. Welche Neuigkeiten gibt es aus Frankreich zu vermelden?
Michael Kurt Sonntag: Frankreich bringt die meisten Gedenkausgaben heraus. Pro Jahr sind das um die 100 Münzen, bisweilen aber auch etwas mehr. Hier ist allerdings nicht nur die Themenvielfalt größer als anderswo, sondern auch das Repertoire der Nominale innerhalb eines Themas. Zu einem Thema gibt es nicht selten eine Münze zu 10 € aus 333er Silber, eine weitere aus 999er Silber rund und eine aus 999er Silber barrenförmig. Außerdem gibt es eine zu 50 € aus 999er Silber (5 oz.), eine zu 5 € aus 999er Gold, eine weitere zu 50 € aus 999er Gold (1/4 oz.) und schließlich eine zu 200 € aus 999er Gold (1 oz.) rund oder barrenförmig. Bei gewissen Serien geht es in Gold noch weiter bis zu großen Ausgaben zu 5 oz. und zu 1 kg fein. Bei französischen Münzen den Überblick zu behalten, ist ohne Katalog gar nicht mehr möglich. Alle Gedenkmünzen Frankreichs sammeln zu wollen, ist selbst für besser betuchte Sammler kaum zu bewältigen. Allein die Goldausgaben einer Jahresemission gehen da schon richtig ins Geld. Kommt dann noch eine 1-kg-Goldmünze hinzu, die alleine auf Grund ihrer extrem niedrigen Auflage von 18-37 Exemplaren bereits die Marke von 100.000,– bis 120.000,– € Verkaufspreis knackt, dann ist das eine Liga, in der ein normaler Sammler keinesfalls mehr mithalten kann. Sofern man französische Münzen sammelt und dabei glücklich werden will, muss man sich also enge Grenzen stecken und auf Vollständigkeit weitgehend verzichten. Die Auflagen waren da immer recht klein, verglichen mit anderen Staaten. Im Laufe der Jahre sind sie teilweise noch geringer geworden.
Münzen-Online: Was sollte man als Sammler von Münzneuheiten ansonsten beachten?
Michael Kurt Sonntag: Da Münzneuheiten in der Regel in Stempelglanz (Stgl.), Polierter Platte (PP) oder Rev.-PP erscheinen, sollte man hier auch keine geringeren Qualitäten sammeln. Man sollte solchen Münzen den Vorzug geben, deren Auflagen nicht exorbitant hoch sind, also nicht denjenigen, deren Stückzahlen in die Millionen oder viele Hunderttausende gehen. Wenn möglich, sollte man Edelmetalle vorziehen, da sie in Krisenzeiten leichter wieder in Geld zu verwandeln sind. Und schließlich sollte man immer Münzen sammeln, die man gerne anschaut, so dass die Sammlung auch optisch reizvoll ist und nicht nur einen finanziellen Wert darstellt, der sicher verwahrt wird.
Münzen-Online: Welche Münzen finden Sie persönlich besonders attraktiv?
Michael Kurt Sonntag: Münzen, die ich besonders attraktiv finde, sind Münzen, die auf den ersten Blick ansprechen, faszinieren, begeistern und bezaubern. Es sind Stücke, die so schön sind, dass ich sie am liebsten den ganzen Tag anschauen möchte und unbedingt mehr erfahren will über das, was sie zeigen, über ihren Schöpfer und ihre Epoche. Insbesondere kann ich mich für Münzen begeistern, die beide Seiten gestalterisch nutzen und nicht eine Seite ausschließlich dem staatlichen Hoheitszeichen überlassen. Gerne verzichten kann ich auf Münzen, deren Bildmotive so modern sind, dass ich erst lesen muss, was sie überhaupt darstellen. Derartige Motive dringen nie bis zur Seele vor und können auch nicht wirklich berühren. Länder, die gestalterisch herausstechen, gibt es sicher einige, beispielsweise Österreich, Italien, Frankreich, Griechenland, Spanien und die USA. Als Motive sind Schiffe, Tiere, bedeutende Persönlichkeiten, Architektur, Technik, Olympia und Sport zu nennen. Das sind Reihen, die immer beliebt waren und es vermutlich auch weiterhin sein werden.
Münzen-Online: Welche fünf neuen Münzen würden sie bezüglich der Bildmotive und der künstlerischen Umsetzung als herausragend ansehen?
Michael Kurt Sonntag: Da würde ich mich für die folgenden Stücke entscheiden:
Deutschland: 100 Euro 2023, Gold – Meisterwerke der deutschen Literatur: „Faust“ von Goethe;
Ø 28 mm
Österreich: 1000 Schilling 1998, Gold – Schicksale im Hause Österreich: Kaiserin Elisabeth; Ø 30 mm
Österreich: 100 Euro 2019, Gold – Magie des Goldes: Das Gold Mesopotamiens; Ø 30 mm
Frankreich: 10 Euro 2024, Silber, teilvergoldet mit Farbapplikation – Die Argonautensage: Jason und das Goldene Vlies; Ø 37 mm
USA: 1 Dollar 2021, Silber – Peace Dollar (Neuprägung der 1921er Hochrelief-Version). Ø 38,10 mm.
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