Vor 105 Jahren purzelten in Deutschland und Österreich-Ungarn die Kronen, und das hatte Auswirkungen auf die Gestaltung neuer Münzen, Medaillen, Geldscheine, Briefmarken, Siegel, Fahnen und Auszeichnungen. Aus dem österreich-ungarischen Vielvölkerstaat gingen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 und dem Abgang von Kaiser Karl I. selbständige Staaten hervor: Ungarn, die Tschechoslowakei und Jugoslawien. Wenig bekannt ist, dass sich die offiziell am 12. November 1918 ausgerufene und gegenüber der k. und k.- Monarchie deutlich verkleinerte Republik anfangs Deutsch-Österreich beziehungsweise Deutschösterreich nannte. Obwohl es in beiden Staaten deutliche Bestrebungen gab, Österreich mit dem Deutschen Reich zu vereinen, wurde dies von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs vereitelt. Durch die Festlegung der Landesbezeichnung „Republik Österreich“ wurde auch allen Bestrebungen für eine „Vereinigung“ der Alpenrepublik mit dem Deutschen Reich eine entschiedene Absage erteilt.
Die Münzen der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie sind mit dem zweiköpfigen Kaiseradler geschmückt. Er hatte mit der Gründung der Republik Ende 1918 ausgedient. Bildquelle: https://www.ikmk.at/object?id=ID222856; 28.11.2023.
Österreich, die „Neuerscheinung“ in der europäischen Länderfamilie, brauchte neue Symbole. Bei der Flagge konnte man sich schnell auf die traditionellen Farben rot-weiß-rot einigen. Schwieriger war die Entwicklung eines neuen Staatswappens. Der Sozialdemokrat Karl Renner, der in der Umbruchzeit Staatskanzler und Leiter des Staatsamtes für das Äußere war und 1931 bis 1933 sowie 1945 bis 1950 als Bundespräsident an der Spitze des Landes stand, schlug ein republikanisches Emblem vor. Es sollte aus einem schwarzen Stadttor bestehen, über dem zwei rote gekreuzte Hämmer und goldene Ähren angebracht sind. Dieses Wappen bedeute eine radikale Abkehr vom kaiserlichen Doppeladler mit Krone, Zepter, Reichsapfel, dreigeteiltem Brustschild und Ordenskette und unterstrich symbolhaft, dass die neue Republik von den drei Säulen Bürgertum, Arbeiter und Bauern getragen wird. Indes fand Renners Vorschlag wenig Anklang, Heraldiker entwickelten einen neuen Adler ohne monarchische Zutaten.
Der Wappenadler mit Mauerkrone, Hammer und Sichel galt von 1919 bis 1934, zu sehen auf einem goldenen Hundert-Schilling-Stück von 1934. Bildquelle: C.Stadler/Bwag - Eigenes Werk, CC BY 3.0 at, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25314681; 28.11.2023.
Im Gesetz über das deutsch-österreichische Staatswappen vom 8. Mai 1919 wird das Wappentier als freischwebender, einköpfiger, schwarzer, golden gewaffneter und rot bezungter Adler beschrieben,
„dessen Brust mit einem roten, von einem silbernen Querbalken durchzogenen Schildchen belegt ist. Der Adler trägt auf dem Haupte eine goldene Mauerkrone mit drei sichtbaren Zinnen, im rechten Fange eine goldene Sichel mit einwärts gekehrter Schneide, im linken Fange einen goldenen Hammer“.
Die Verwendung der Farben Schwarz, Rot und Gelb (Gold) war kein Zufall, sondern eine Hommage an das neue Deutsche Reich, das nach der Novemberrevolution 1918 die Farben Schwarz, Weiß und Rot ablegte und die der Demokratie- und Studentenbewegung aus der Zeit nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 sowie aus der Revolution von 1848/49 zur Staatsflagge erhob. Nach anderer Lesart könnten diese Farben aber auch auf das Wappen des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation referieren.
Nach dem Erlass einer neuen ständischen Verfassung im Jahr 1934 wurde der österreichische Adler verändert. Das dem Prinzen Eugen von Savoyen gewidmete Zwei-Schilling-Stück wurde 1936 geprägt, aus dem gleichen Jahr stammt das 50-Groschen-Stück. Bildquelle 2 Schilling: DJGrandfather - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43052068; 28.11.1923; Bildquelle 50 Groschen: Caspar.
Dass man nach der Oktoberrevolution 1917 in Sowjetrussland ebenfalls Hammer und Sichel als Zeichen für die neu etablierte Arbeiter- und die Bauernmacht auf den Erdball legte und damit ein auf die Übernahme der Weltherrschaft deutendes Staatswappen schuf, hat viele konservative Österreicher in Rage gebracht. Trotz der Einwände erschien der Adler mit Hammer und Sichel auf Österreichs Münzen bis 1934. Nach bürgerkriegsähnlichen Unruhen im Frühjahr 1934, in deren Ergebnis der Alpenrepublik von dem neuen Machthaber Engelbert Dollfuß eine neue, autoritäre Verfassung mit katholisch-ständestaatlichem Einschlag verordnet wurde, hat man einen neuen Wappenadler ohne Hammer und Sichel, dafür aber mit Heiligenschein (Nimbus) an den beiden Köpfen eingeführt. Der Doppeladler, den das Land am 1. Mai 1934 bekam, erinnert an den Wappenvogel des alten Reiches und des bis 1918 bestehenden Kaiserreichs Österreich-Ungarn, nur dass er auf Krone, Zepter und Reichsapfel verzichtet. Diese Version erschien auf den bis 1938 geprägten Kurs- und Gedenkmünzen und wurde erst mit dem von Hitler erzwungenen „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich abgeschafft.
Der mit gesprengten Ketten vervollständigte Adler ist seit 1945 das Symbol der von der Naziherrschaft befreiten Alpenrepublik, zu sehen auf einem Fünf-Schilling-Stück von 1952. Bildquelle: Caspar.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte die anfangs in vier Besatzungszonen gegliederte Republik zum einköpfigen Adler von 1919 zurück. Allerdings gab es eine charakteristische Neuerung gegenüber der ersten Version, denn auf Initiative von Karl Renner wurde verfügt, dass das Wappen
„zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945“
dadurch ergänzt wird, dass der Adler eine gesprengte Eisenkette in den Krallen hält. So zeigen bis zur Einführung des Euro am 1. Januar 2002 alle österreichischen Münzen, sofern sie mit einem Adler geschmückt sind, die gesprengten Ketten.
Die österreichische Münzprägung war nach dem Ersten Weltkrieg nicht ganz so reichhaltig wie die der Weimarer Republik, ist aber nicht minder interessant. Hier wie dort hat man Künstler ermuntert, Symbole zu entwickeln, die auf den bürgerlichen Staat hinweisen. Die ab 1923 in Wien geprägten Kurs- und Gedenkmünzen aus Bronze, Kupfer-Nickel, Silber und Gold spiegeln die langsame Konsolidierung der Alpenrepublik wider und zeigen das Bemühen, ihre Geschichte und Kultur national und international ins rechte Licht zu rücken. 1928 wurde mit der Ausgabe von Gedenkmünzen zu zwei Schilling begonnen und große Persönlichkeiten der Geschichte, Kunst, Kultur und Wissenschaft durch ausgewogen gestaltete Silberprägungen geehrt. Sie sind in der Münzliteratur gut dokumentiert und bilden ein hervorragendes Sammelgebiet.
Helmut Caspar
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