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Gold, Dollar, Renminbi: Die Welt im Krisen-Modus


Spanisches Filmplakat zu Rashomon. Bildquelle: Daiei Motion Picture.

Gelegentlich heißt es, die Schuldzuweisungen bei Epidemien und im Handelskrieg erinnerten an den Kino-Klassiker Rashomon (Japan 1950) von Akira Kurosawa. Der Film aus einer halbwegs fiktiven Endzeit erzählt die Geschichte eines Verbrechens. Verschiedene Personen berichten von dem Ereignis in einem Waldstück. Doch jeder erzählt eine andere Version und nennt einen anderen Schuldigen. Wie in dem Film das Verbrechen, so ist auch die Existenz globaler Krisenherde unbestritten. Doch wer für die permanenten Krisenerscheinungen eigentlich verantwortlich ist, bleibt bis heute umstritten.


Klar ist dagegen, unter welchen Begleitumständen derartige Erscheinungen ausgelöst werden. Vor allem Kriege und Spekulationswellen lösen derart schwerwiegende Verwerfungen aus. Das war bereits vor einigen Jahrhunderten so. Als eines der einprägsamsten Beispiele in diesem Kontext gilt bis heute die große Tulpeninflation: „Die merkwürdigste aller Krisen wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts durch die hemmungslose Spekulation mit Tulpen ausgelöst.“ (René Sedillot, Muscheln, Münzen und Papier, Frankfurt/Main 1992, S. 32). Ein Run auf seltene, in Holland hoch geschätzte Zwiebeln hatte sich zu einer regelrechten Börsen-Hausse ausgewachsen. Auch der Absturz der verzinslichen, aber ungedeckten Assignaten, die infolge der Französischen Revolution ausgegeben wurden, war ein Beispiel hierfür. In der jüngeren Geschichte hat wohl die Weltwirtschaftskrise von 1929 die stärksten Spuren hinterlassen. Deren Umfang war lange verkannt worden. Noch im Mai 1930 hatte der amerikanische Präsident Herbert Hoover voller Zuversicht verkündet: „Wir haben einen der großen wirtschaftlichen Stürme erlebt, die regelmäßig Not und Leid über unser Volk bringen. (…) Ich bin überzeugt, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. Mit einer weiteren gemeinsamen Anstrengung werden wir uns schnell erholen. Banken und Industrie haben keine bedeutenden Ausfälle zu verzeichnen. Auch diese Gefahr ist gebannt.” (Herbert Hoover, Address to the Chamber of Commerce of the United States vom 1. Mai 1930; www.presidency.ucsb.edu).


Es handelte sich nur um eines der vielen Fehlurteile während dieser Krise. Die Weltwirtschaftskrise dauerte zehn Jahre und endete erst mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Auffällig an den Krisen der jüngsten Zeit ist vor allem die schwindende wirtschaftliche Bedeutung der Vereinigten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg, welche mit einem immer größer werdenden Defizit im Staatshaushalt sowie im Außenhandel begleitet wird. In letzter Zeit äußerte sich die Verlagerung des Schwergewichts in der Weltwirtschaft im Handelskonflikt der USA mit China.


Leidtragender an diesem Defizit sind keineswegs nur die USA. Die Chinesen finanzieren schließlich zu einem Gutteil das Staats- und Außenhandelsdefizit der Amerikaner mit ihrem umfangreichen Export gegen Dollars: „Das bedeutet allerdings nicht, dass damit Chinas Weg zur globalen Vorherrschaft frei ist. In China entfallen nur 36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf den Verbrauch, in den Vereinigten Staaten sind es über 70 Prozent. Während der Inlandskonsum in den Vereinigten Staaten zu hoch ist, ist er in China immer noch viel zu niedrig. Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft ist nach wie vor in erheblichem Umfang von billigen Exporten in die Vereinigten Staaten abhängig, die wiederum durch den Verkauf von Schuldtiteln an China finanziert werden. Diese unheilvolle Symbiose, die Paul Krugman mit den Worten ‚sie geben uns vergiftete Produkte, wir geben ihnen wertloses Papier‘ beschreibt, stellt eine Bedrohung für Chinas langfristige Interessen dar.“ (Nouriel Roubini, Stephen Mihm, Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft, Frankfurt/Main 2010, S. 338).


220-Kilo-Barren im Goldmuseum Taipei. Bildquelle: Wikimedia, Wong.

Um der Abhängigkeit vom Dollar zu entgehen, legten ausländische Staatsbanken wie die chinesische ihre Währungsreserven nach der Finanzkrise von 2008 wieder in Gold oder anderweitig an. Der Internationale Währungsfonds geht auf diese Diversifizierung ein. Neben den bisher üblichen international konvertierbaren Zahlungsmitteln, nämlich Dollar, Yen, EURO, den IWF-Sonderziehungsrechten und Gold, hat er den chinesischen Renminbi in den Währungskorb aufgenommen. Die Kür des Renminbi zu einer der Weltreservewährungen war für China ein Meilenstein im Bemühen um die Anerkennung des Landes als globale Wirtschaftsmacht. Die chinesische Währung wird aber in den nächsten Jahren noch keine wesentliche Rolle auf dem internationalen Parkett spielen. Der Renminbi leidet unter dem geringen Vertrauen, das internationale Investoren einer zentral gelenkten Wirtschaft wie der chinesischen entgegenbringen. Die Beschränkungen, denen der internationale Kapitalverkehr mit China immer noch unterliegt, zeigen dies deutlich. Auch der Verlauf der aktuellen Epidemie mit dem Corona-Virus zeigt die Mängel des chinesischen Systems. Befürchtet wird eine Abwertung des Renminbi gegenüber dem Dollar im Zuge der permanenten Krisen: „Die Rangliste der führenden Reservewährungen führt mit einem Anteil von 64 Prozent der Dollar an vor dem Euro, auf den nur noch 19,7 Prozent der zuordenbaren Reserven entfallen.“ (Gerald Braunberger, Chinas Renminbi tut sich schwer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04. April 2017).


Leitzinsen wichtiger Zentralbanken. Bildquelle: Wikimedia, Martin.

Auch der Euro schwächelt also. Das geringe Vertrauen in den Euro ist ebenfalls eine Folge der zurückliegenden Finanzkrise. In der Griechenland-Krise wurde deutlich, dass der Euro ein Projekt ist, hinter dem kein handlungsfähiger Staat steht. Deshalb haben die Zentralbanken einiger Länder in den zurückliegenden Jahren ihre auf Euro lautenden Währungsreserven wieder abgebaut. Dem Pfund und dem Yen als weiteren Währungsreserven kommt ohnehin keine wesentliche Bedeutung zu. Welche Optionen gibt es also, wenn man sich der Allmacht des Dollars entziehen will? Einige Zentralbanken, darunter die chinesische, haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich eine neue Goldreserve aufgebaut. Ein markantes Beispiel dafür aus der jüngsten Zeit ist Russland. Im Jahr 2019 haben die Russen den Anteil ihrer Währungsreserven in US-Dollar und Euro reduziert. Stattdessen wurde der Anteil von Gold und Renminbi deutlich erhöht. Eine komplette Anlage staatlicher Währungsreserven in Gold ist heute jedoch unmöglich. Die verfügbare Menge des Edelmetalls ist schließlich begrenzt. Eine massive Umschichtung von Dollars in Gold durch eine bedeutende Staatsbank würde zudem den Goldpreis explodieren lassen. Experimenten mit Kunstwährungen wird auf dem internationalen Parkett ebenfalls keine Chance eingeräumt. So bleiben die Optionen einer Vorsorge für Krisensituationen begrenzt.


Dollars als imaginärer Wertspeicher. Bildquelle: Stock Free Images.

Wann die nächste Weltwirtschaftskrise kommt und wie sie aussieht, ist heute noch unbekannt. Weltweit anerkannte Ökonomen geben sich angesichts der Entwicklung der letzten Jahre ratlos. Anzeichen dafür, wie die Probleme der Zukunft aussehen werden, gibt es jedoch zur Genüge. Die Schuldenlast, unter der Staaten und Wirtschaftsunternehmen leiden, ist seit der Finanzkrise von 2008 enorm angewachsen. Die zunächst als Übergangserscheinung gewertete Niedrigzins-Phase der letzten zehn Jahre hat sich inzwischen als Dauerinstrument herausgestellt. Ein abruptes Anziehen der Zinsschraube, so wird allgemein angenommen, hätte weltweit eine gigantische Pleitewelle zur Folge. So taumelt die Weltwirtschaft ohne ein von den Zentralbanken noch wirksam einzusetzendes Zinsinstrument in die nächste Krise.

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