Im Frühjahr 2020 meldete die italienische Presse, dass im Trevi-Brunnen in Rom kaum noch Münzen zu finden seien. Der beliebte Brunnen sei verwaist: „Der Gewinn, den die Caritas bisher aus den Münzen gezogen hat, die Touristen in den Trevi-Brunnen warfen und mit dem sie benachteiligten Familien, Obdachlosen und Migranten half, stagniert bei 190.000 Euro. Ein Jahr zuvor belief sich der Erlös derer, die in der Hoffnung auf Rückkehr einen Euro oder ein paar Cents in das Wasser des berühmtesten Brunnens der Welt warfen, noch auf 1,4 Millionen Euro. Zu den unerwarteten Nebenwirkungen der Pandemie gehört auch das Ausbleiben dieses Geldes. Mit der Sperrung der Stadt waren die Touristen verschwunden.“ (Coronavirus Roma, niente monetine a Fontana di Trevi – migliaia di euro in meno alla Caritas, In: La Repubblica, 27.03.2020).
Der Trevi-Brunnen ist nach einer weit verbreiteten Ansicht einer der schönsten Brunnen der Welt. Von Nicola Salvi entworfen, wurde er 1735 von Papst Clemens XII. eingeweiht. Gefertigt aus Tavertin und Marmor, hat er eine Höhe von 26 Metern und eine Breite von 50 Metern. Der Brunnen ist mit einer 2000 Jahre alten Leitung verbunden, die Rom mit Wasser versorgte. Ursprünglich leitete das hier befindliche Acueducto Aqua Virgo das Wasser von einer 20 Kilometer entfernten Quelle in die Stadt. Eine Legende besagt, dass es Glück bringt, wenn man Geld in den Brunnen wirft. Dabei müsse man die Münzen mit der linken Hand über die rechte Schulter oder mit der rechten Hand über die linke Schulter in das Becken werfen. Wenn nur ein Geldstück geworfen werde, kehre man nach Rom zurück. Werfe man zwei Münzen, verliebe man sich in einen Italiener oder eine Italienerin. Der Wurf von drei Münzen sei ein Omen für eine Heirat mit dem Betreffenden.
Der Brauch des Münzenwurfes soll auf den deutschen Archäologen Wolfgang Helbig zurückgehen. An antike Geldopfer anknüpfend, habe er vor über 100 Jahren die Bewohner der deutschen Kolonie in Rom bei ihrem Abschied dazu bewogen, ein Glas Wasser aus dem Brunnen zu trinken und eine Münze in das Bassin zu werfen. Im Jahr 1959 kam der Brunnen durch den Erfolg des Filmes „La dolce vita“ mit der legendären Badeszene von Anita Ekberg zu Weltruhm. Wie das „Abfischen“ der Münzen heute verläuft, lässt sich recht gut vor Ort verfolgen. Erst wird die Umgebung abgesperrt. Dann kommen Arbeiter in kniehohen Gummistiefeln herbei: „Breitbeinig durch das Becken watend, schieben zwei Männer mit einem Rechen, dem am Fuß statt eines Eisenkamms ein Gummibalg aufgepflanzt ist, all das vor sich her, was in diesem Brunnen nun einmal herumliegt: Münzen, Münzen, Münzen. Zwei andere Arbeiter klauben Münzen von Felsnasen und aus Grotten, ihr Chef sowie drei Polizisten sehen dabei zu. […] Dann ziehen die Männer ein seltsames Gefährt herbei, einen stählernen Zylinder, aus dem armdick ein drahtversteifter Schlauch hervorragt. Dies ist der Geldsauger der Fontana di Trevi. Weithin hörbar prasselt es im Zylinder, und es heult die Motorpumpe, wenn die Arbeiter das Maul des Schlauches an den Münzen-Deich heranfahren und ihn Meter um Meter vertilgen lassen. Immer wieder wird der Zylinder geöffnet, ein wasserträufender Siebeinsatz mit Geldstücken herausgehoben und in einen Eimer entleert.“ (Klaus Brill: Die Köchin, die Pornodiva und der Papst – Römische Begegnungen, Wien 1998, S. 67ff.). Danach müssen die Münzen in mühevoller Kleinarbeit sortiert und in Euro gewechselt werden.
Im Jahr 2005 wies die Regierung die Münzen der italienischen Bischofskonferenz zu, welche sie an die Caritas weiterreicht. Die Hilfsorganisation verwendet die Mittel, die sich aus der Verwertung der Münzen ergeben, ausschließlich für soziale Projekte. Zum Beispiel werden fünf Supermärkte in Rom finanziert, in denen 2.000 bedürftige Familien kostenlos einkaufen können. Außerdem betreibt die Caritas mehrere Obdachlosenunterkünfte, wie jene von Ostia, die 60 Betten und 180 Mahlzeiten für Bedürftige anbietet. In den zurückliegenden Jahren konnte ein immer höherer Erlös aus den Münzen gezogen werden. Wurden im Jahr 2005 insgesamt 500.000 Euro eingesammelt, waren es 2016 bereits 1,4 Millionen Euro. Mithilfe von Finanzdienstleistern ist es möglich, die verschiedenen Währungen wie Rubel, Dollar oder Yen kurzfristig in Euro zu wechseln. Fünfzehn Prozent ihres Budgets konnte die römische Caritas aus den Münzen bestreiten!
Weil im Jahr 2020 aufgrund der ausbleibenden Touristen etwa eine Million Euro an Einnahmen aus dem Brunnen fehlten, musste die Stadt außerplanmäßig um Spenden bitten. Virginia Raggi, Bürgermeisterin von Rom, appellierte auf Facebook an ihre Landsleute: „In einer verwaisten Stadt fehlen uns die Besucher, die uns bislang große Summen zukommen ließen. Ich bitte darum, die Caritas anderweitig zu unterstützen. Pater Benoni Ambarus, dem Direktor der römischen Caritas, spreche ich meinen Dank aus, dass er sich weiter mit großem Engagement für die Bedürftigsten in der Stadt engagiert. Gemeinsam werden wir diese Herausforderung meistern!“ (Fontana di Trevi senza monetine - Caritas in difficoltà, In: Il Messagero, 28.03.2021). #Rom #Italien #TreviBrunnen #Münzen #Pandemie #Caritas #Touristen #WolfgangHelbig #AnitaEkberg #Münzspende #DietmarKreutzer
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