Es gibt eine rätselhafte Münzemission, die, ohne einen konkreten Prägeherren zu nennen, für den Machtanspruch der Habsburger steht: Die Dreikaiserprägung. Künker bietet im Rahmen der Versteigerung der Sammlung Salton am 22. März 2022 zwei Abschläge in Gold an. Wir fassen zusammen, was man über diese enigmatischen Schaumünzen weiß.
Sie gehören zu den rätselhaftesten Prägungen der Habsburger Numismatik, jene Schaumünzen in Halbtaler- und Talergröße, die auf der Vorderseite drei bedeutende Habsburger Kaiser zeigen: Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I. Das Problem: Die Münzinschriften übergehen den Mann, der diese Prägungen in Auftrag gab. Die Vorderseitenumschrift lautet lediglich: Durch Gottes Gnade Kaiser der Römer und Könige von Spanien. Die Rückseitenumschriften variieren und werden mit verschiedenen Wappen oder dem Reichsadler kombiniert, in seltenen Fällen sogar mit dem Bildnis eines längst verstorbenen Habsburgers, nämlich mit Friedrich III., der das Amt des Kaisers in den Jahren zwischen 1452 und 1493 bekleidete.
Habsburger Kaiser
Um uns dem historischen Hintergrund dieser Münzemission(en) anzunähern, müssen wir uns daran erinnern, dass das Amt des Kaisers keineswegs für einen Habsburger reserviert war, auch wenn das nach dem 16. Jahrhundert so scheinen mag. Im Gegenteil: Der Herrscher über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wurde vom Kurfürstenkolleg gewählt. Die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier besaßen zusammen mit dem Markgrafen von Brandenburg, dem König von Böhmen, dem Pfalzgraf bei Rhein und dem Herzog von Sachsen das Privileg, sich frei zwischen allen potentiellen Kandidaten zu entscheiden. Jahrhundertelang hatten die Kurfürsten dieses Vorrecht genutzt, um dem neuen Herrscher im Austausch für seine Wahl bedeutende Zugeständnisse abzuhandeln. Wahlkapitulation, so nannte man den schriftlichen Vertrag, in dem ein Kandidat die Zugeständnisse festhielt, die er im Falle seiner Wahl zusagte.
Doch seit Friedrich III. im Jahr 1440 zum römisch-deutschen König gewählt und 1452 zum Kaiser gekrönt wurde, riss die lange Reihe der Habsburger Herrscher nur noch in seltenen Ausnahmesituationen ab. Denn Friedrich III. hatte die geniale Idee, seinen Sohn Maximilian I. bereits zu seinen Lebzeiten zum deutschen König wählen zu lassen. Karl V. setzte sich gegen den konkurrierenden französischen und den englischen König durch, und bei seiner Abdankung übergab er sein Amt seinem Bruder Ferdinand I. mit Billigung der Kurfürsten.
Zu diesem Zeitpunkt aber hatte die Reformation die Verhältnisse im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation völlig verändert. Die meisten weltlichen Fürsten waren protestantisch geworden. Sie hatten damit keine Chance, die Stimmen der drei geistlichen Kurfürsten zu erhalten. Nun besaßen die Habsburger als Könige von Böhmen die vierte Stimme im Kurfürstenkolleg. Damit war ihnen als Kandidat der Katholiken ihre Mehrheit praktisch gesichert.
Seitdem etablierten sich die Habsburger mit jedem weiteren Habsburger, der zum römisch-deutschen König gewählt wurde, fester als einzig kaiserwürdige Dynastie Europas. Die Dreikaiserprägung ist nichts anderes als dieser zur Schaumünze geronnene Anspruch auf die Macht über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.
Wer aber prägte unsere Münze?
Grundsätzlich muss man feststellen, dass es zwei verschiedene Vorderseitenstempel für die Dreikaiserprägungen gibt. Der eine – auf der ersten Abb. – zeigt die Herrscher mit Bügelkronen, der andere – sechste Abb. – mit so genannten Mitrenkronen.
Nun lässt sich die Frage, wer für die Dreikaiserprägungen mit der Bügelkrone verantwortlich zeichnete, mit einer Methode beantworten, die in der Numismatik häufig angewendet wird, wenn es darum geht, den Prägeherrn festzulegen. Das Verfahren nennt sich Stempelvergleich. Es beruht darauf, dass es teuer war, Stempel herzustellen, so dass man im Alltag einer Münzstätte gerne einen bereits existierenden Stempel für eine andere Prägung weiterverwendete. Auch wenn es sehr seltene Fälle gibt, in denen ein Stempel erst nach vielen Jahren wieder herausgekramt wurde, spricht eine Stempelkopplung meist für einen sehr engen zeitlichen Zusammenhang.
Nun wurde der Wappenstempel unserer ersten Abb. auch für Schauprägungen verwendet, die auf der Vorderseite das Porträt des Tiroler Erzherzogs Ferdinand II. zeigen. Heinz Winter macht in seinem Bestandskatalog der Medaillen und Schaumünzen der Habsburger im Kunsthistorischen Museum Wien aus dem Jahr 2013 auf diese Stempelkopplung aufmerksam, die erstmals bereits im Werk von Heinz Moser und Heinz Tursky zur Prägung der Münzstätte Hall aus dem Jahr 1977 vorgestellt wurde. Winter plädiert deswegen dafür, die erste Gruppe dem Tiroler Erzherzog Ferdinand II. zuzuordnen. Aus stilistischen Gründen spricht er sich für die Jahre zwischen 1564 und 1580 aus.
Der große Sammler
Man kann sich durchaus vorstellen, dass Erzherzog Ferdinand II. von Tirol hinter dieser genialen Bildfindung steht. Er wurde 1529 in Linz geboren und stand zunächst an der Spitze der böhmischen Verwaltung, ehe ihm im Jahr 1564 die Grafschaft Tirol übertragen wurde. Fremdenführer auf Schloss Ambras lieben es zu erzählen, dass er eine Bürgerliche, die Philippine Welser aus Augsburg, heiratete, und sein Bruder ihm diese Ehe nur unter der Bedingung gestattete, dass niemand davon erfahren werde. Weniger bekannt dürfte sein, dass Ferdinand II. noch zu Lebzeiten seiner Gemahlin um die Hand von Anna Caterina von Gonzaga anhielt, die er noch in Philippines Todesjahr ehelichte. Drei Töchter gingen aus dieser Verbindung hervor, von denen die jüngste den späteren Kaiser Matthias heiratete, was für unser Thema nicht ganz unwichtig ist.
Für jeden Besucher von Schloss Ambras ist auf jeden Fall eine Tatsache unübersehbar: Ferdinand II. war ein enthusiastischer Sammler, dessen Kunst- und Wunderkammer durchaus mit der Sammlung von Kaiser Rudolf II. konkurrierte. Und natürlich besaß Ferdinand II. eine beeindruckende Münzsammlung, die ihm als Inspiration gedient haben dürfte. Schließlich war er es, unter dessen Herrschaft die Münzstätte Hall zu einem innovativen Zentrum der Habsburger Münzprägung wurde und die Methode der Walzenprägung perfektionierte. Man kann diesem Kenner der antiken und zeitgenössischen Münzprägung also durchaus zutrauen, dass er in Zusammenarbeit mit den Handwerkern, die in der Münzstätte Hall für ihn arbeiteten, das Konzept der Dreikaiserprägung entwickelte.
Diese Münzen müssen ein riesiger Erfolg gewesen sein. Ferdinand II. gab nämlich noch eine zweite Emission in Auftrag, die ebenfalls die drei Kaiser zeigte, allerdings diesmal nach links blickend, und die auf das Jahr 1590 datiert ist.
Bruderzwist im Hause Habsburg
Es folgte noch eine weitere Emission, die – wieder durch eine Stempelkopplung – mit dem Kaiser Matthias in Verbindung gebracht wird. Ivo Halačka wies nach, dass sie unter dessen Herrschaft entstand, also in den Jahren zwischen 1612 und 1619, allerdings nicht in Hall, sondern in Böhmen, wahrscheinlich in Prag.
Warum aber griff Matthias dieses Thema wieder auf? Ganz einfach, weil er etwas Unerhörtes getan hatte: Er hatte seinen Bruder Rudolf II. mit militärischer Macht gezwungen, ihm zu Lebzeiten die Herrschaft abzutreten. 1608 wurde Matthias König von Ungarn und Kroatien, 1611 König von Böhmen, 1612 – nach dem Tod seines Bruders Rudolf – auch Kaiser.
Matthias beherrschte alle Facetten der Öffentlichkeitsarbeit. Dafür zeugt die Tatsache, wie viele Menschen heute noch bereit sind, in Rudolf II. den Wahnsinnigen zu sehen, der im Prager Hradschin durch seine Sammlungen irrte. Ohne an dieser Stelle zu sehr ins Detail zu gehen: Rudolf II. hatte in seiner Amtszeit viel geleistet. Und Matthias musste nun den Balance-Akt vollführen, das Monopol der Habsburger auf das Kaiseramt zu betonen und gleichzeitig seinen Vorgänger vollständig zu diskreditieren.
Der Rückgriff auf die drei bedeutendsten Herrscher aus dem Geschlecht der Habsburger passte wahrscheinlich perfekt zu seinen PR-Maßnahmen. Und wenn wir daran denken, dass seine Gattin die Tochter des Mannes war, der die Dreikaiserprägungen „erfunden“ hatte ...
Ein Objekt aus dem Besitz der Habsburger
Der seltene Goldabschlag der Dreikaiserprägung, der sicher für eine bedeutende Gestalt der Geschichte gefertigt wurde, gewinnt noch zusätzlich durch seine Provenienz an Bedeutung. Er stammt aus dem Besitz Sigismunds von Österreich (1826-1891). Sigismund war ein Privatgelehrter, wie es sie viele im 19. Jahrhundert gab. Er interessierte sich für Botanik, aber auch für Numismatik. Seine Sammlung wurde durch das Auktionshaus Adolph Hess Nachf. im Jahr 1933 versteigert.
Mark Salton – dessen Sammlung nun versteigert wird – war besonders stolz auf den Besitz dieser Münze, und ihr neuer Besitzer wird es sicher ebenfalls sein.
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