Um 270 v. Chr. heiratete Hieron II. von Syrakus (275/74–269 v. Chr. Tyrann und 269–215 v. Chr. König) die aus altehrwürdigem Adel stammende Syrakusanerin Philistis. Durch ihren einflussreichen Vater hatte Hieron seine politische Position in Syrakus erheblich stärken können. Als er dann 269 v. Chr. auch die Mamertiner, die ehemaligen Söldner des Agathokles, am Longanos glorreich besiegt hatte, nahm er den Königstitel an. Um 240 v. Chr. erhob Hieron seinen Sohn Gelon zum Mitregenten und erklärte ihn ebenfalls zum König.
Wann er seiner Gemahlin Philistis den Königstitel verlieh, wissen wir nicht genau, da „sie nicht in literarischen Quellen erscheint und nur auf einem epigraphischen Dokument [Erwähnung findet].“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 9, Sp. 817). Dass sie den Königstitel allerdings trug, beweisen die Silbermünzen zu 16- und zu 5-Litren, die auf ihren Rückseiten die Legende BASILISSAS PHILISTIDOS ([Münze] der Königin Philistis) nennen und auf ihren Vorderseiten den Porträtkopf der Königin mit Diadem und Schleier zeigen.
Sieht man sich den Porträtkopf der Königin etwas genauer an, so fällt dem in der griechischen Numismatik Bewanderten schnell auf, dass der Kopf der Philistis, künstlerisch betrachtet, große Ähnlichkeit mit den Porträtköpfen der ptolemaiischen Königinnen zeigt. Kein Wunder also, wenn Fachleute bereits 1988 erklärten: „Vorbild [für die Münzen der Philistis] waren wohl die Dekadrachmen im Namen der Arsinoë II., Königin von Ägypten, Gattin und Schwester des Ptolemaios II. Philadelphos († 270 v. Chr.).“ (Herbert A. Cahn, Leo Mildenberg, Roberto Russo, Hans Voegtli, Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, Griechische Münzen aus Großgriechenland und Sizilien, Basel 1988, S. 148). Und in der Tat zeigen die postumen Dekadramen der Arsinoë II. den Kopf der Königin mit Diadem und Schleier.
Da Arsinoë außer Diadem und Schleier aber auch noch eine verzierte Stephane, ein kleines Hörnchen ums Ohr sowie ein Lotos-Zepter trägt und die Münzlegende auf ARSINOES PHILADELPHOU ([Münze] der bruderliebenden Arsinoë) lautet, sehen Numismatiker wie z. B. Maria Caccamo Caltabiano, B. Carroccio, E. Oteri und Oliver Hoover nicht im Münzporträt dieser Ptolemaierin das große Vorbild für die Münzen der Philistis, sondern im Münzbildnis der ptolemaiischen Königin Berenike II.
„The portrait of Philistis is closely modeled on that of the Ptolemaic queen, Berenike II (c. 244/3-221 BC).“ (Oliver Hoover, Handbook of Coins of Sicily, S. 396). Anders als Arsinoë trägt Berenike nämlich nur Diadem und Schleier auf ihren Münzen – genauso wie Philistis. Zudem nennen ihre Münzen ebenso die Königstitulatur BERENIKES BASILISSES ([Münze] der Königin Berenike), wie die der Philistis.
Sicher, der Kopf der Philistis ist beim überwiegenden Teil ihrer Münzen nach links und nicht nach rechts gewandt und auch die Gestaltung der Frisur und des Schleiers zeigen deutliche Abweichungen vom Original, doch ist das Münzmotiv ja auch bloß entlehnt und nicht 1:1 kopiert. Keinesfalls entlehnt sind dagegen die Rückseitenmotive der Philistismünzen. So sehen wir auf den 16-Litren-Stücken eine galoppierende oder schreitende Quadriga und auf den 5-Litren-Münzen eine galoppierende oder schreitende Biga und nicht etwa ein Füllhorn wie auf den Geprägen der Berenike. Mit anderen Worten, die Rückseiten stehen in der jeweiligen Polis- oder Dynastietradition und betonen bei den Münzen der Philistis das spezifisch Syrakusanische und bei den Münzen der Berenike das spezifisch Ptolemaiische.
Wenn aber die Münzbildnisse Berenikes II. das Vorbild waren, dann dürfte Philistis wohl zum selben Zeitpunkt den Königstitel verliehen bekommen haben wie ihr Sohn Gelon II., d. h. ebenfalls um 240 v. Chr. Die Emissionen ihrer 16- und 5-Litrenmünzen in die Periode um 240–216 v. Chr. zu datieren, wie dies Oliver Hoover tut, ist folglich plausibel und gut nachvollziehbar.
Aber warum wählten Hieron und seine Gemahlin ausgerechnet die Münzen der Berenike zum Vorbild für das Gros ihrer Silberprägung? Nun, die Antwort hierauf dürfte nicht allzu schwierig sein, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Syrakus und Alexandria enge Beziehungen pflegten, Ptolemaios III. die bedeutendste Macht des östlichen Mittelmeerraums regierte, die Hofhaltung der Ptolemaier an Pracht und Luxus kaum zu überbieten war und Berenike II. die erste Ptolemaierin war, deren Porträt bereits zu Lebzeiten auf Münzen erschien. Dem Lebensstil und Ansehen dieses Herrscherpaares nachzueifern, muss für die Könige in Syrakus ein ebenso großer Prestigegewinn gewesen sein, wie es für die meisten Königs- und Fürstenhöfe Europas fast 2000 Jahre später war, es Ludwig XIV. gleichzutun.
Und wenn Berenike II. ihr Porträt mit Königstitulatur bereits zu Lebzeiten auf ihre Münzen setzten ließ, so war dies für Hieron und Philistis eine Herausforderung, der sie sich nur allzu bereitwillig stellten. So dass man sich dann auch nicht zu wundern braucht, wenn das Porträt der Philistis das Gros der syrakusanischen Silbermünzen ebenso zu ihren Lebzeiten zierte.
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