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Die Panik der ersten Weltwirtschaftskrise (1857)


Sturm auf die Seamen‘s Savings Bank in New York während der Panik von 1857 – Bildquelle: Wikimedia, Library of Congress.

Keine Bank verfüge über mehr Spareinlagen als die New Yorker Filiale der Ohio Trust Company, hieß es im Jahr 1857 im New York Herald. Der leitende Trust-Mitarbeiter Edward C. Ludlow investierte zwei Millionen Dollar in vermeintlich lukrative Aktien der Eisenbahn. Doch die erwarteten Renditen blieben aus. Ludlow borgte für die Bank nun drei oder vier Millionen Dollar von anderen Banken, um schnell nachzuschießen. Am 24. August 1857 brach das Kartenhaus jedoch zusammen. Der Präsident der Ohio Life Insurance and Trust Company trat mit einer Erklärung vor die Presse: „Ich habe die unangenehme Pflicht, bekanntzugeben, dass die Gesellschaft ihre Zahlungen eingestellt hat.“ (Christian von Hiller, Die erste Weltwirtschaftskrise; in: Frankfurter Allgemeine, 1. Juli 2008).


Modell des Dampfschiffes SS Central America im National Museum of American History. Bildquelle: Flickr, Mr. TinDC.

Fast alle New Yorker Banken hatten Geld an Ludlow und die Ohio Trust verliehen! Horden von verunsicherten Anlegern stürmten die Kreditinstitute. Diese orderten Sicherheitsreserve von den kalifornischen Goldfeldern. Das Dampfschiff SS Central America wurde in San Francisco mit 13,6 Tonnen Goldbarren aus Regierungsbeständen beladen. Doch da nahte die nächste Katastrophe. Der Dampfer geriet in einen schweren Sturm. Das Schiff mit 578 Menschen an Bord ging unter. 600 Kisten mit Gold waren verloren. Als die Nachricht in New York eintraf, stellten viele Banken im Land ihre Zahlungen ein. Wenig später erreichten die Meldungen aus New York die europäische Finanzmetropole London. Banken in Schottland und Nordengland waren die ersten, die in Zahlungsschwierigkeiten kamen. Die britische Regierung erlaubte der Zentralbank gegen hohe Zinsen die Ausgabe von Banknoten im Wert von zwei Millionen Pfund.

Auf die im Welthandel stark engagierte Hafenstadt Hamburg griff die Krise im November 1857 über. Einzelne der ortsansässigen Handelshäuser hatten zu diesem Zeitpunkt Wechsel in Umlauf, die auf das Zehnfache ihres Eigenkapitals lauteten. An der Börse und auf den Straßen rumorte es. Panik breitete sich aus. Um eine Vertrauenskrise abzuwenden, beschloss die Bürgerschaft auf Vorschlag des Senats, eine Staats-Diskonto-Kasse einzurichten und dafür eine Staatsanleihe aufzunehmen. Wertstabile Münzen sollten für die Wechsel ausgegeben werden. Doch Preußen, Sachsen, Frankreich und England winkten ab. Nirgends war eine Silberanleihe zu bekommen. Bis zum Mittwoch, dem 9. Dezember spitzte sich die Situation zu. Dann traf die noch ausstehende Antwort der Österreicher ein. Sie versprach Rettung in höchster Not: „Abends laufen bei Syndikus Merck erste Depeschen aus Wien ein. Am nächsten Tag gibt er Gustav Heckscher die Vollmacht, eine Anleihe von 15 Millionen in Silberbarren aufzunehmen. Der Senat beschließt, bei der Bürgerschaft zu beantragen, dass die österreichische Anleihe für die großen Häuser und nicht für eine Staats-Diskonto-Kasse verwendet werde.“ (Gabriele Hoffmann, Das Haus an der Elbchaussee, München 2000, S. 214).


Die als Girobank mit der Mark Banco rechnende Alte Bank in Hamburg. Bildquelle: Die Gartenlaube (1875, Seite 856).

Drei Tage später stimmte die Bürgerschaft dem Deal zu. Die Silberanleihe wurde aufgenommen. In Wien ermächtigte die Regierung die Nationalbank, ein Jahresdarlehen in Höhe von 15 Millionen Mark Banco mit einem Zinssatz sechs Prozent auszureichen. Aus den Gewölben der Bank mussten nun 1.800 Zentner Silber auf dem Schienenweg nach Hamburg gebracht werden: „Der Wiener Sonderzug mit den Silberbarren trifft am 15. Dezember um ein Uhr mittags in Hamburg ein. Schon am nächsten Tag kann Baron Testa seinem Außenminister Graf Buol nach Wien berichten, bis in die untersten Klassen der Bevölkerung höre man Äußerungen innigster Dankbarkeit für seine Majestät den Kaiser und die Kaiserliche Regierung.“ (Ebenda, S. 215). Das Vertrauen der Kaufleute untereinander und in die Regierung der Hansestadt konnte im letzten Moment wiederhergestellt werden.


Dass die Hamburger zur Sicherung ihrer Zahlungsverpflichtungen kein Gold, sondern Silber brauchten, ergab sich aus dem hier geltenden Silberstandard. Die Stadt hatte sich dem stark schwankenden Wert der umlaufenden Münzen schon früh mit der Gründung einer Girobank entzogen: „Im Girogeschäft konnte jeder Hamburger Bürger oder Einwohner ein Konto durch Einlage von guten Reichstalern eröffnen. Der Taler wurde dabei zu drei Bankmark oder 48 Schilling gerechnet. Die Bankmark oder Mark Banco war also ein Giroanspruch auf ungemünztes Feinsilber; Mark Banco ‚entstanden‘ als Zahlungsmittel, wenn Silber in die Bank eingebracht, amtlich geprüft und abgewägt und in den Büchern der Bank auf dem Konto des Einbringers gutgeschrieben war.“ (Herbert Rittmann, Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, München 1975, S. 428).


Dukat, Hamburg, 1857, 979er Gold, 3,5 Gramm, 12.000 Exemplare. Bildquelle: H.D. Rauch, Auktion 106, Los 726, Zuschlag: 650 Euro.

Gerechnet wurde also in Mark Banco. Im täglichen Gebrauch setzte sich Mitte des 19. Jahrhunderts der preußische Taler durch. Außerdem gab es regionale Schilling- und Pfennigprägungen. Gold kursierte lediglich in Form von Dukaten. Diese Münzen mit einem stehenden Ritter als Motiv wurden von 1811 bis 1872 in kleiner Auflage eine Woche vor Weihnachten ausgegeben. Sie dienten als Geschenk, das häufig von wohlhabenden Kaufleuten an ihre Untergebenen weitergereicht wurde. Nach dem Fest wurden sie oft in Silbergeld umgetauscht, wobei die Dukaten „häufig wieder in den Tiegel wanderten, was dann auch der Grund sein mag, warum sie nicht häufiger im Publikum kursieren" (Otto Christian Gaedechens, Hamburgische Münzen und Medaillen, 3 Bände, 1850).

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