Als Hieron II. von Syrakus (275/74–215 v. Chr.) nach knapp 5 Jahrzehnten Königsherrschaft (264–215 v. Chr.) verstarb, bestieg sein Enkel Hieronymos den Thron von Syrakus. Anders als Hieron II., der die Römer während des Ersten Punischen Krieges (264–241 v. Chr.) mit Getreide und Soldaten unterstützt hatte und sie auch während des Zweiten Punischen Krieges (218–201 v. Chr.), bis zu seinem Tod unterstützte, wandte sich Hieronymos von Rom ab. Da die Karthager unter Hannibal den Römern 216 v. Chr. bei Cannae eine schwere Niederlage beigebracht hatten – die Römer verloren in dieser Schlacht 52.500 Soldaten (48.000 Tote und 4.500 Gefangene) –, schloss Hieronymos eine Allianz mit den Karthagern, derzufolge ganz Sizilien zwischen Syrakus und Karthago aufgeteilt werden sollte – die Grenze zwischen beiden Gebieten sollte der Fluss Himera sein (siehe Karte).
Karte Siziliens. Quelle: Eva u. Wolfgang Szaivert nach David R. Sear: Griechischer Münzkatalog, Band 1: Europa, Battenberg Verglag, München 1980, S. 142.
Später beanspruchte Hieronymos allerdings ganz Sizilien, wenn er Karthago denn Militärhilfe leisten sollte. Da die Karthager sich vom syrakusanischen Beistand einen schnelleren Sieg gegen die Römer erhofften, gingen sie schließlich auf die Forderung ein und Hieronymos begann mit der Aufstellung und Ausrüstung eines 17.000 Mann starken Heeres.
„Nach Livius (24,26,1) plante er [gemeint ist Hieronymos] sogar ein gemeinsames Vorgehen von Syrakus, Karthago und Ägypten gegen die Römer.“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 5, Sp. 546.)
Doch bereits im Sommer 214 v. Chr. wurde Hieronymos das Opfer einer Soldaten-Verschwörung, die von seinem Leibwächter Deinomenes angeführt wurde und während eines Besuchs in Leontinoi ermordet.
In den größtenteils prorömischen antiken Quellen werden das Wesen und die Taten des Hieronymos nicht selten übertrieben gewalttätig und exzessiv dargestellt. So soll er beispielsweise Bürger und auch Familienmitglieder auf bloßen Verdacht hin oder um sich ihr Vermögen anzueignen, exekutiert haben. Ferner soll er zahlreichen Frauen von Syrakus Gewalt angetan haben. Nach Oliver D. Hoover dürften Behauptungen dieser Art zusammen mit den Agitationen der prorömischen Fraktion in der Stadt schließlich zur Entfremdung zwischen dem König und seinen Bürgern geführt und dem erwähnten Mordanschlag Vorschub geleistet haben. Anschließend wurden Königsherrschaft und Tyrannei auch formell abgeschafft, die Verwandten und ehemaligen Berater des Hieronymos zum Tode verurteilt und die Demokratie restauriert. Die pro-karthagische Politik von Syrakus wurde aber beibehalten.
Da die neu gewonnene Freiheit (griech. Eleutheria) den Syrakusanern überaus wichtig war und
Zeus in Syrakus bereits seit dem Sturz der tyrannischen Deinomeniden 466 v. Chr. als „Zeus Eleutherios“ („Zeus der Befreier“) kultisch verehrt wurde, so prägte Syrakus ab 214 v. Chr. u. a. 16-Litren- (Litrai) Silbermünzen auf eben diesen Zeus Eleutherios. Besagte Münzen zeigen vorderseitig das nach links gewandte Porträt des bärtigen Göttervaters Zeus mit Lorbeerkranz und rückseitig eine nach rechts sprengende Quadriga, die von Nike gelenkt wird. Die Münzlegende im Abschnitt lautet "ΣΥΡΑΚΟΣΙΩΝ" [(Münze) der Syrakosaner]. (Abb. 1)
Abb. 1: 16 Litren (214–212 v. Chr.). Silber, 13,37 g, Ø 25 mm, Münzstätte Syrakus. Rarität nach A. Houghton: R2. Bildquelle: Fritz Rudolf Künker, Auktion 367 (6. April 2022), Los 7081.
Allerdings waren diese Münzen nicht die ersten, die man in Syrakus jemals zu Ehren des Befreiers Zeus prägte. Nachdem die Syrakusaner 345 v. Chr. den Korinther Timoleon zu ihrer Berfreiung gerufen und zum bevollmächtigten Strategen gewählt hatten, drängte dieser den Tyrannen Dionysios II. 344 v. Chr. endgültig aus der Macht und zwang ihn ins Exil nach Korinth, besiegte anschließend auch den Tyrannen Hiketas aus Leontinoi, der das festländische Syrakus thyrannisiert hatte und zwang diesen nach Leontinoi zurück. Danach ordnete er die Machtverhältnisse in Syrakus neu, errichtete eine „gemäßigte Demokratie“, erklärte den Priester des Olympischen Zeus zum obersten Beamten und suchte die Polis zur Speerspitze im Kampf gegen die Karthager zu machen. Parallel dazu ließ er zwischen 344/43 und 337/36 v. Chr. Gold-, Silber- und Bronzemünzen auf den Befreier Zeus prägen. (Abb. 2 und 3)
Abb. 2: 30 Litren bzw. 1⁄4 Stater bzw. 1⁄2 Drachme (344/43–337/36 v.Chr.), Gold, 2,12 g, Ø 10,88 mm, Münzstätte Syrakus. Rarität nach A. Houghton: R2. Bildquelle: MA-Shops, Gorny & Mosch (März 2015).
Abb. 3: 2 Litren (344/43–337/36 v. Chr.), Bronze, 20,05 g, Ø 26,27 mm, Münzstätte Syrakus. Rarität nach A. Houghton: S. Bildquelle: MA-Shops, Gorny & Mosch (Februar 2015).
Betrachtet man die Abbildungen 2 und 3 im Detail, so fällt auf, dass beide Münzen auf ihren Vorderseiten das Porträt des bärtigen, belorbeerten Zeus zeigen, dieses aber im Unterschied zu jenem aus Abb. 1 noch von der Legende "ΖΕΥΣ ΕΛΕΥΘΕΡΙΟΣ" (Zeus der Befreier) umringt wird. Die Rückseiten dieser Münzen beziehen sich aber nicht auf Zeus. Mit dem Bildmotiv des nach links fliegenden Pegasos auf der Rückseite des ¼-Goldstaters und auf der Vorderseite des Silberstaters – der hier nicht abgebildet wurde – nehmen die Gold- und Silberemissionen Bezug auf Korinth und damit indirekt auch auf den Korinther Timoleon. Und auch das nach links aufspringende, ungezäumte Pferd auf der Rückseite der Bronzemünze bezieht sich nicht auf Zeus, zumal das Pferd von Poseidon erschaffen worden sein soll, diesem heilig war und auch in Syrakus große Verehrung als Streitross und Rennpferd genoss. Das Einzige, was den fliegenden Pegasos ebenso umgibt wie das aufspringende Pferd ist die Münzlegende "ΣΥΡΑΚΟΣΙΩΝ" ([Münze] der Syrakosaner), die sich im Übrigen auch auf dem 16-Litren-Stück aus Abb. 1 findet. Die von Nike gelenkte Quadriga, die jenes 16-Litren-Stück rückseitig ziert, knüpft wiederum an die Rückseiten der Münzen Hierons II. und seiner Gemahlin Philistis an und greift damit das in Syrakus seit alters her überaus beliebte Quadriga-Sujet wieder auf.
Doch auch wenn die Zeusköpfe, die auf diesen Münzen abgebildet sind, motivgleich daherkommen, schließlich sind sie alle drei bärtig und tragen einen Lorbeerkranz im Haar, so divergieren sie künstlerisch-stilistisch dennoch erheblich voneinander. Während die Zeusporträts aus Abb. 2 und 3 nämlich eindeutig der Kunstperiode der Späten Klassik angehören, so gehört das Porträt aus Abb. 1 zweifellos in die Kunstperiode des Hellenismus.
Mit seiner anti-römischen Politik hatte Syrakus allerdings, metaphorisch gesprochen, auf das falsche Pferd gesetzt, denn 212 v. Chr. belagerten die Römer unter Marcellus die Stadt mit einer gewaltigen Flotte und die Syrakusaner unterlagen schließlich trotz karthagischer Unterstützung und den genialen Kriegsmaschinen des Archimedes. Und so kam es, dass Syrakus fiel, geplündert wurde – vor allem die Kunstwerke, die in der Stadt vorhanden waren, wurden zum Beutegut der Römer – und die 16-Litren-Silberprägung mit Zeus Eleutherios ein jähes Ende fand.
Die in Abb. 1 gezeigte 16-Litren-Münze wurde bei F. R. Künker in der 367. Auktion am 6. April 2022 versteigert. Ihr Schätzpreis lag bei 10.000,– Euro. Zugeschlagen wurde sie für 95.000,– Euro.
Michael Kurt Sonntag
Raritätsangaben nach A. Houghton:
C = Common (häufig) = 200 Ex. bis ein paar Tausend Ex.
S = Scarce (selten) = 60–200 Ex. bei Gold und Silber und 30–100 Ex. bei Bronze
R1 = Rare (rar) = 25–60 Ex. bei Gold und Silber und 10–30 Ex. bei Bronze
R2 = very Rare (sehr rar) = 2–25 Ex. bei Gold und Silber und 2–10 Ex. bei Bronze
R3 = extremely Rare (extrem rar) = 1–2 Ex. bei Gold, Silber und Bronze
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