Um 575 v. Chr. gründeten Ionische Griechen aus Milet die Stadt Pantikapaion (heute Kertsch) an der Stelle einer früheren skythischen Siedlung im Kimmerischen Bosporos an der Nordküste des Schwarzen Meeres – genauer gesagt am östlichsten Ausläufer der Halbinsel Krim.
Karte Makedoniens, Thrakiens und des nordwestlichen Schwarzmeergebiets in der Antike
[Eva und Wolfgang Szaivert nach David R. Sear, Griechischer Münzkatalog, Bd. 1: Europa, S. 204]
Die Stadt besaß eine befestigte Akropolis und starke Verteidigungsmauern, die sie vor feindlichen Skythenstämmen schützten. Darüber hinaus beherbergte sie etliche Monumentalgebäude einschließlich der Tempel für Zeus, Apollon Prostates und Artemis Ephesia. Obwohl Panitkapaion auch ein Zentrum für Metallarbeiten und für Töpferei war, so wurde die Stadt erst durch den Schwarzmeer-Getreidehandel und den Fischfang reich. Von einer anfänglichen Tyrannenherrschaft während des 5. Jh. v. Chr. wurde Pantikapaion um 438/37 v. Chr. von einem gewissen Spartokos befreit, der sich anschließend zum König aufschwang und die Dynastie der Spartokiaden begründete. Diese beherrschte und regierte dann das Königreich des Kimmerischen Bosporos mehr als drei Jahrhunderte lang. Auf Spartokos I. (438/37–433/32 v. Chr.), folgten Satyros I. (um 433/32–389/88 v. Chr.), Leukon I. (389/88–349/48 v. Chr.), Spartokos II. und Paerisades I. (349/48–311/10 v. Chr.), Satyros II., Prytanis und Eumelus (311/10–304/03 v. Chr.).
Bereits unter Satyros I. und Leukon I. konnte Pantikapaion seine Herrschaft auch über die Städte Nymphaion, Phanagoria, Sindikos Limen (Gorgippia) und Theodosia ausdehnen, selbst zur Hauptstadt des Königreichs des Kimmerischen Bosporos aufsteigen, einen Großteil des Getreidehandels an sich ziehen und auch einen lukrativen Fischfang und Fischhandel betreiben – schließlich wurde Getreide bis nach Athen und gesalzener Fisch in zahlreiche andere Städte exportiert. Reichtum und Wohlstand, den die Stadt auf diese Weise erreichte, befähigte sie zu einer umfangreichen Gold-, Silber- und Bronzeprägung. Zu den schönsten und eindrucksvollsten Münzen von Pantikapaion zählen vor allem die Emissionen, die die Stadt während des 4. Jahrhunderts v. Chr. verausgabte.
Abb. 1: Pantikapaion. Stater (um 380–370 v. Chr.), Gold, 9,09 g, Ø [Höhe, Rs.] 18 mm
[Künker, Auktion 383/2025]
Abb. 2: Pantikapaion. Stater (um 325–310 v. Chr.), Gold, 9,10 g, Ø [Höhe, Rs.] 21 mm
[Künker, Auktion 257/8125]
Abb. 3: Pantikapaion. Drachme (um 340–325 v. Chr.), Silber, 3,9 g, Ø [Höhe, Vs.] 16 mm
[Künker, Auktion 367/7096]
Abb. 4: Pantikapaion. AE (um 340–325 v. Chr.), Bronze, 13,21 g, Ø [Höhe, Vs.] 25 mm
[Gorny & Mosch, Auktion 280/136]
Abb. 5: Pantikapaion. AE (um 310–304/03 v. Chr.), Bronze, 8,52 g, Ø [Höhe, Vs.] 21 mm
[MA-Shops, Kölner Münzkabinett]
Betrachtet man die erwähnten Münzen etwas eindringlicher, so erkennt man sehr schnell, dass sie vorderseitig allesamt ein eindrucksvolles, vollbärtiges, langhaariges Männergesicht zeigen, dass wulstige Augenbrauen, eine Stupsnase und spitze Tierohren aufweist. Um wen es sich dabei handelt, wurde von der Fachwelt unterschiedlich beantwortet. Während Numismatiker wie Peter Robert Franke (1964), David R. Sear (1978) und Eva und Wolfgang Szaivert (1980) hierin ein Abbild des Gottes Pan sahen und dies als sprechendes Wappen Pantikapaions interpretierten, sehen die Numismatiker David MacDonald (2005) und Oliver D. Hoover (2012) in diesen Porträts einen Satyrn. „In many catalogues, these heads are described as Pan, on the assumption that the head of Pan is a type parlant for the name Panticapaeum. This is incorrect, as has often been pointed out in the past and just as often ignored. The heads do not represent Pan, but a quite seperate mythological creature, a satyr.“ (David MacDonald, An Introduction to the History and Coinage of the Kingdom of the Bosporus. Lancaster & London 2005, S. 14)
Als Inspiration für diesen Satyrkopf, so MacDonald, dürfte der Name Satyros gedient haben, zumal Leukons Vater Satyros (I.) hieß. MacDonald zufolge erschienen diese eindrucksvollen Satyrköpfe erstmals unter der Regentschaft Leukons I. (389/88–349/48 v. Chr.) und wurden dann gut zwei Jahrhunderte lang weitergeführt. Während die besagten Satyrköpfe auf den meisten Münzen im Links- oder Rechtsprofil erscheinen und mal ohne und dann wieder mit Efeukranz geschmückt sind, so sind Dreiviertel-Profile (Abb. 3) die große Ausnahme, zumal sie nur auf einigen silbernen Hemidrachmen und Drachmen vorkommen und auch die Goldstatere nur auf einem einzigen Typus zieren.
Deutlich weniger imposant und spektakulär als die Vorderseiten sind die Rückseiten der Münzen aus Abb. 3 (ein Stierkopf) und aus Abb. 4 (ein Bogen und ein Pfeil), da Abbilder dieser Art in der antiken griechischen Numismatik ziemlich häufig anzutreffen sind.
Einzigartig sind dagegen die Rückseiten der Goldstatere, die einen über einer Getreideähre nach links stehenden Löwengreif zeigen, der mit seinem Maul einen Speer zerbeißt. Ein Münzmotiv voller Symbolkraft, wenn man weiß, dass der Greif den antiken Griechen als wehrhafter Beschützer und Wächter galt. Seine Wehrhaftigkeit offenbart der Greif hier dadurch, dass er einen feindlichen Speer zerbeißt und auf diese Weise signalisiert, alle Feinde Pantikapaions zu vernichten. Die Ähre wiederum steht für das kostbare Exportprodukt Getreide, welches der Greif allzeit bereit ist, zu beschützen. Ebenfalls ein Greif, genau genommen eine nach links stehende Greifenprotome, begegnet uns auch auf der Bronzemünze aus Abb. 5. Interessanterweise handelt es sich hierbei aber nicht um einen Löwen-, sondern um einen adlerköpfigen Greif. Ein Greif, der diesmal nicht über einer Ähre, sondern über einem Fisch, präziser gesagt über einem Stör steht. Der Stör, von dem im übrigen der kostbare schwarze Kavier stammt, war offenbar schon damals ein Edelfisch, den man in Pantikapaion für besonders wertvoll erachtete. Beschütze der Greif der Goldsatere das wertvolle Getreide, so scheint die Greifenprotome hier den Fischfang und Fischhandel zu beschützen. Mit anderen Worten, der Greif auf den Gold- und Bronzemünzen wird als „Wohlstandsgarant“ Pantikapaions stilisiert. Das Stadtkürzel, das sich auf allen Münzrückseiten befindet, lautet in den meisten Fällen auf ΠΑΝ und nur auf dem Bronzestück aus Abb. 4 auf ΠΑΝΤΙ.
Wie bereits Kurt Regling 1936 herausgefunden hatte, wogen die Goldstatere Panitkapaions von 380–310 v. Chr. ca. 9,10 g, da dieses dem Gold entsprach, das ein Elektronstater von Kyzikos enthielt, der im Schwarzmeergebiet als Handelsmünze im 5. Jh. v. Chr. üblich war. Erst als sich die in Massen geprägten Goldstatere Alexanders des Großen (ca. 8,6 g / Stater) auch im Schwarzmeerraum zunehmend ausbreiteten, reduzierte auch Pantikapaion um 310 v. Chr. das Gewicht seiner Goldstatere auf ca. 8,55 g, ehe es seine Goldprägung nach 304/03 v. Chr. schließlich ganz einstellte.
Arthur Houghton stuft die Seltenheit der abgebildeten Münzen wie folgt ein: Abb. 1: R2 = sehr rar, 2–25 Exemplare; Abb. 2: R2 = dito; Abb. 3: R1 = rar, 25–60 Exemplare; Abb. 4: S[carce] = selten, 30–100 Exemplare (weil Bronze); Abb. 5: R1 = rar, 10–30 Exemplare (weil Bronze).
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