Gilles de Rais (1405–1440). Bildquelle: History & Biography
Perrine Martin, im Ort nur La Meffraye genannt, schob mühsam das Bett zur Seite. Dann hob sie einen der Steine an und holte aus dem Versteck im Fußboden einen Lederbeutel hervor. Sie löste die Schnur, mit der das Leder im Bund zusammengehalten wurde, und schüttete den Inhalt auf ihren Tisch. Da waren sie, die Kopfgelder, die sie seit 1432 von Gilles de Rais für ihre Dienste bekommen hatte. Zwei écus d’or bekam sie für jeden Knaben, den sie ihrem Burgherren von Machecoul als Pagen vermittelte: „Nichts liebte sie mehr als den leisen süßen Klang der sich berührenden Gold- und Silbermünzen. Nur solche gab es, in diesen Beutel kam kein Kupfer. Die Goldmünzen herrschten vor, am häufigsten war der écu de Bretagne mit den Hermelinschwänzen im Wappen, dann der vom König geprägte écu à la couronne, auch gab es einige écus au porc epic mit einem Stachelschwein und einen écu au soleil mit der Sonne über dem Schild. Bei den Silbermünzen handelte es sich meist um den gros blanc, den Silbergroschen, es gab aber auch einige der liliengeschmückten grandes plaques, die seit König Karls Regierung besonders häufig geprägt wurden.“ [1]
Frankreich. Karl VI. Ecu d’or von 1385–1420. Tours. 999er Gold, 4,0 g, 29 mm [NumisCorner]
Um die Bedeutung dieser Münzen zu verstehen, ist ein Blick auf die damalige Situation der Franzosen und ihr Währungssystem nötig. Im 13. Jahrhundert hatte König Ludwig der Heilige die ersten französischen Goldmünzen ausgegeben. Seine Nachfolger setzten die Prägungen fort: „Diese Reihe der herrlichen französischen Goldmünzen gotischen Stils erhält ihren Namen Ecu (Schild) nach dem Bild auf der Vorderseite der Münze, das häufig wechselt, während auf der Rückseite im Vierpass ein Kreuz mit reicher Ornamentik aufgeprägt ist, hier mit Weinreben und Weinblättern an den Wahren Weinstock erinnernd. Der beliebteste Typ dieser mannigfachen französischen Königsprägungen ist der Ecu d’or.“ [2] Am 1. Januar 1337 ordnete Philipp VI. aus dem Hause Valois die Ausgabe eines neuen 4,5 g schweren Ecu d’or an, von dem 54 Stück aus dem Pariser Markgewicht geprägt werden sollten. Im gleichen Jahr brach jedoch der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England aus. Der englische König meldete infolge des Dynastiewechsels von den Kapetingern zum Geschlecht der Valois seinen Anspruch auf den französischen Thron an.
Frankreich. Karl VII. Ecu d’or von 1436. Toulouse. 999er Gold, 3,5 g, 29 mm
[MDC Monaco, Auction 7/227]
Die Auseinandersetzung, während der die Engländer den nördlichen Teil von Frankreich besetzten, sollte sich über 100 Jahre hinziehen. In dieser Zeit wurde das Gewicht des Ecu d’or um etwa ein Drittel reduziert. Der Edelmetallanteil der Silbermünzen ging ebenfalls zurück: „Bereits in den Anfangsjahren des Krieges ab 1337 versuchten die französischen Könige Philipp VI. und Johann II. durch diese Abwertungen die Kriegskosten zu bestreiten.“ [3] Erst mit dem Feldzug der 16-jährigen Johanna von Orleans wendete sich das Blatt nachhaltig zugunsten der Franzosen. An ihrer Seite kämpfte Gilles de Rais, ein junger und außerordentlich wohlhabender französischer Heerführer. Während Johanna auf einem englischen Scheiterhaufen endete, wurde Gilles für seine Verdienste im Jahre 1429 von König Karl VII. zum Marschall von Frankreich befördert. Seine üppige Hofhaltung überstieg alsbald sein Einkommen. Mit offenen Händen verteilte er Belohnungen, Schenkungen, Vermächtnisse. Gewitzte Händler konnten bei ihm jeden Preis durchsetzen: „Als Beispiel werden die Goldstoffe zitiert, für die er sechzig oder achtzig Goldtaler zahlte, obwohl sie nur fünfundzwanzig bis dreißig wert waren; vierzehn tausend Taler für drei Umhänge aus Goldstoff, die nicht mehr als viertausend gekostet hätten.“ [4] Nach kurzer Zeit war Gilles pleite. Er verkaufte mehrere Landgüter und versuchte, mit Hilfe von Alchimisten an frisches Geld zu kommen.
Frankreich. Karl VI. Blanc von 1385–1420. Paris, 439er Silber, 3,3 g, 26 mm
[Münzen & Medaillen GmbH, Auktion 37/530]
Als ruchbar wurde, dass auf seinen drei Burgen immer wieder Knaben verschwanden, war sein Ruf endgültig ruiniert. Man raunte sich zu, dass Menschenfänger im ganzen Lande unterwegs seien, die ihm tägliche neue Kinder und Jugendliche zuführten. Immer wieder wurde der Name von Perrine Martin genannt, die sogar Kopfgelder kassiert haben soll. Der Prozess wurde Gilles de Rais aber erst gemacht, als er im Streit um seine Besitztümer einen kirchlichen Würdenträger kidnappte. Vor Gericht bekannte er im Jahre 1440 ungezählte Lustmorde, die an Grausamkeit kaum zu überbieten waren. In den Protokollen der kirchlichen Untersuchungen wurden 140 Mordopfer aufgeführt. Dies war aber nur eine Schätzung. Hinterlassenschaften seiner Leichenkeller wurden auf den Burgen von Champtocé, Machecoul und Tiffauges entdeckt: „Diese Festungen hatten die Bedeutung teuflischer Fallen. Sie schlossen sich hinter Kindern, die so unklug gewesen waren, am Portal Almosen zu erwarten. Die meisten Knabenopfer gingen dieser Täuschung auf den Leim.“ [5] Am 26. Oktober 1440 wurde Gilles de Rais mit zwei seiner Getreuen in Nantes gehängt. Quellen
Siegfried Obermeier: Im Zeichen der Lilie. Der Roman über Leben und Zeit des dämonischen Ritters Gilles de Rais, Kampfgefährte der Johanna von Orléans. Reinbek 1996, S. 221.
Hermann Kochs: Geprägtes Gold – Geschichte und Geschichten um Münzen und Medaillen. Stuttgart 1967, S. 107.
P. Abele: Die Geldtheorie von Nicolaus Oresmius mit Blick auf das Heilige Römische Reich im 15. Jahrhundert. München 2018.
Philippe Reliquet: Ritter, Tod und Teufel – Gilles de Rais, Monster, Märtyrer, Weggefährte Jeanne d‘Arcs. München 1990, S. 56.
Georges Bataille: Gilles de Rais – Leben und Prozess eines Kindermörders. Frankfurt/Main 1975, S. 40.
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