„BRÜNING-TALER“
- Uwe Bronnert
- 14. März
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. März
Wie die 4-Reichspfennig-Münze die Massenarbeitslosigkeit und das wachsende Elend in der Zeit der Weltwirtschaftskrise bekämpfen sollte.
Mit der Währungsreform 1923 begann die Zeit der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung und politischen Konsolidierung in Deutschland. Als am 24. Oktober 1923 in den USA die Spekulationsblase platzte, rutschte auch Deutschland in eine nie dagewesene Depression, die 1932 ihren Höhepunkt erreichte. Im Februar 1932 waren mehr als sechs Millionen Menschen arbeitslos. Das waren rund 44 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. Damit hatte Deutschland im internationalen Vergleich den weltweit höchsten Prozentsatz an Arbeitslosen. Die wirtschaftliche Lage des Reiches war katastrophal. Die Industrieproduktion betrug nur noch 57,2 Prozent des Standes von 1928; die Ausfuhren waren drastisch zurückgegangen. Die Einkommen der Lohn- und Gehaltsempfänger wie auch der Unternehmer reduzierten sich gegenüber 1928 um nahezu 40 Prozent.
Vor der Weltwirtschaftskrise gehörten Arbeiter der Eisen- und Stahlindustrie sowie des Bergbaus an Rhein, Ruhr, der Saar und in Oberschlesien zu den Spitzenverdienern. Der durchschnittliche Stundenlohn dieser Berufsgruppen betrug 1929 rund 1 RM. Im Jahr 1932 erhielten die Stahlarbeiter nur noch 0,85 RM. Zwar hatte die Regierung einen Preisstopp verordnet und die Lebenshaltungskosten waren 1932 nicht höher als die des Vorjahres, aber ein Pfund Ochsenfleisch kostete 1,40 RM und ein Pfund Speck 0,80 RM. War es für einen Durchschnittsverdiener schon außerordentlich schwer, seine Familie zu ernähren, um wie viel schwerer war es dann für die vielen Arbeitslosen.
Zwar war am 16. Juli 1927 durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die Arbeitslosenversicherung im Deutschen Reich eingeführt und der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung übertragen worden, aber die Arbeitslosenunterstützung von rund 54 RM reichte besonders für kinderreiche Familien kaum zum Leben, benötigt doch eine vierköpfige Familie nach einer statistischen Erhebung vom November 1931 mindestens 66 RM monatlich. Diese Summe musste allein schon für den Kauf eines Herrenanzugs aufgewendet werden. Ein Großteil der Unterstützungszahlung fraß die Miete auf, mussten doch für eine Einzimmerwohnung in einem Arbeiterbezirk allein 27 RM pro Monat aufgebracht werden.
Staat und Gemeinden sahen sich außerstande, die Unterstützungszahlungen an Arbeitslose zu erhöhen. Die öffentlichen Kassen waren leer. Rund 12,5 Milliarden RM wurden 1932 für Arbeitslosengeld und Sozialhilfe aufgewendet, das waren etwa 65 Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben.
Die Reichsregierung unter Reichskanzler Heinrich Brüning (1885-1970) versuchte vergeblich die Wirtschaftskrise durch eine rigorose Sparpolitik zu überwinden. Staatlich verordnete Lohnsenkungen und Preisstopps sollten die Geldumlaufmenge verknappen. Tarifverträge wurden außer Kraft gesetzt, Sparmaßnahmen bei Sozialversicherung und Fürsorge angeordnet. Zur Preisüberwachung wurde ein Reichskommissar eingesetzt. Diese deflationistische Wirtschaftspolitik wurde von den führenden deutschen Nationalökonomen als richtig angesehen, verstärkten aber gerade den volkswirtschaftlichen Schrumpfungsprozess. Die Gewerkschaften hielten diese Maßnahmen für ein untaugliches Mittel zur Bekämpfung der Depression. Sie fordern die Verstaatlichung von Banken und Großindustrie sowie den Einsatz von Arbeitsbeschaffungsprogrammen, die jedoch angesichts der leeren öffentlichen Kassen nicht finanzierbar waren.

Heinrich Brüning, um 1930
Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-1989-0630-504 / Unbekannt / CC-BY-SA 3.0

Heinrich Brüning: Memoiren 1918-1934, Stuttgart 1970, S. 207
Foto: Kreutzer
Da der Reichskanzler im Reichstag hierfür keine Mehrheit fand, musste er unter Umgehung des Parlaments mithilfe von Notverordnungen regieren und sich diese vom Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934) absegnen lassen. Kap. VI der „Vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutz des inneren Friedens“ (RGBl I 1931, S. 699 ff.) vom 8. Dezember 1931 ließ die Ausprägung von Vierpfennigstücken zu. Die Vier-Reichspfennig-Münze sollte dazu beitragen, die Wirtschaft aus der Krise zu führen. Sie sollte das Preisniveau um 20 Prozent senken und allgemein zur Sparsamkeit und Haushaltsdisziplin beitragen.
Die Reaktion auf diesen Plan verdeutlicht der folgende Zeitungsartikel in der Siegener Zeitung, Nr. 6 vom 8. Januar 1932:
Namen für das 4 Pfennigstück
Kaum ist das neue 4-Pfennigstück geboren, noch ist es nicht in den Händen des Publikums, und schon ist es getauft. Dabei hat es nicht, wie ein gewöhnlicher Sterblicher, einen oder zwei Namen bekommen, sondern gleich hundert.
Auf die Aufforderung einer Berliner Zeitung haben sich die witzigsten Köpfe Gedanken darüber gemacht, wie dieses Kind der Not und der Notverordnungen denn heißen könnte. Sie haben sich nicht umsonst bemüht und zusammen so viele originelle Einfälle gehabt, daß es schwer ist, einem davon endgültig den Vorrang zu geben. Es wurde getauft „mit Scherz, Satire, Ironie und tiefer Bedeutung“ nach je Laune oder Galgenhumor des einzelnen. Hier folgen die gelungensten Ergebnisse. Mit einer Anspielung auf den Vornamen des Reichskanzlers wurde die Bezeichnung „Armer Heinrich“ vorgeschlagen. Weniger originell sind die Namen „Heinrichstaler“, „Youngpfennig“, „Kanzlersechser“, „Krisenkitt“. Einer verfiel sogar auf den Namen „Brünette“. Und ein mit besonderem Humor Gesegneter schlug einfach „Heini“ vor. Daß das Vierpfennigstück eine Münze der wirtschaftlichen Notlage ist, spiegelt sich in den Vorschlägen wie: „Druckknopf“, „Hilfskreuzer“, „Rettungsmedaille“ wobei Worte ursprünglich anderer Bedeutung plötzlich eine ungeahnte Verwendbarkeit erwiesen. Andere wollten den Neuling „Proletendollar“, „Pleitetrost“ oder „Dallesknopp“ taufen.
Reizend sind die Vorschläge „Sanitäter“, „Tristan“, „Quartaner“. Einer schlug „Vierling“ vor, ein weniger Harmloser fand „Vierer ohne Steuermann“ passend. Aus demselben Geist sind die Vorschläge „Fehlfarben“ und „Neppsechser“ geboren. Etwas gewagte Witze scheint jener zu lieben, der den Namen „Halber Schupo“ vorschlug und dabei daran dachte, daß ein Schupo acht (= 8) gibt. Einer schließlich machte seinem bedrängten Herzen in Reimen Luft:
„Nennt’s Arbeitslosengroschen, wie ihr wollt.
Nennt’s Silberstreifenmünze, Brüninggold.
Auch Young-Plan-Pinkepinke lautet nett.
Notzaster. Rettungsold für BJZ.“
Nur wenige Tage später legte die Siegener Zeitung (Nr. 13 vom 16. Januar 1932) nach und erläuterte die Bedeutung der neuen Münze:
Das Vierpfennigstück und seine Bedeutung
Das Reichsfinanzministerium hat nunmehr den sechs staatlichen Münzen in Berlin, München, Hamburg, Karlsruhe, Stuttgart und Muldenhütte den Auftrag zur Herstellung der Vierpfennigstücke im Gesamtbetrag von zwei Millionen Mark erteilt. Es ist also zu erwarten, daß die neue Münze bald in den Verkehr kommen wird. Neben der Tatsache, daß das neue Geldstück eine rein technische Angelegenheit zur Erleichterung des Zahlungsverkehrs darstellt, ist es aber auch zugleich eine Mahnung, daß die Zeit der Großzügigkeit und der Geringschätzung des Pfennigs endgültig vorüber ist. Das Sprichwort: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“ soll wieder Geltung erlangen. Während in Tarifverhandlungen um einen halben Pfennig Stundenlohn erbittert gekämpft wurde, war im Zahlungsverkehr die runde Summe bevorzugt. Sie erleichtert das Rechnen und Zahlen: Kupfergeld war im Beutel nicht gern gesehen. Allein im Großhandel fand der Pfennig seine Würdigung, denn ein Pfennig je Pfund Lebendgewicht mehr, das der Händler auf dem Viehmarkt herausschlägt, macht beim ganzen Stück schon eine schöne Summe aus. Im Kleinverkehr hat man dagegen von der „Diktatur des Pfennigs“ wenig bemerkt, weil hier seine Bedeutung nur nach und nach zum Bewußtsein kommt.
Jetzt muß der frühere Zustand wiederhergestellt werden. Die Pfennigrechnung wird einmal dazu beitragen, daß die Aufrundungen unterbleiben, daß also zwei mal zwei nicht fünf, sondern wieder vier ist. Dann aber soll sie die Hausfrauen, die den größten Teil des Volkseinkommens ausgeben, zu Preisvergleichen anhalten und sie veranlassen, die Preisherabsetzungen, die oft nur Pfennige betragen können, auch wirklich auszunützen. Das Vierpfennigstück muß der besondere Freund der Hausfrau werden. Welche Frau geht nicht von einem Laden zum anderen, wenn sie sich einen neuen Hut oder ein neues Kleid kauft! Möge sie auch dieselbe Ausdauer und Energie aufbringen, wenn es sich um die Einkäufe für ihre Familie handelt! Sie würde bis zum Ende des Jahres manches Silberstück erübrigt haben, das sie heute so gerne mehr in ihrem Geldbeutel hätte.

Karikatur von Th. Th. Heine, Gesenkter Tarif
Bildquelle: Simplicissimus, 36. Jg. Nr. 42 v. 18.01.1932
Bereits vor Ausgabe der Münze machte sich der Karikaturist Thomas Theodor Heine (auch Th. Th. Heine; * 28. Februar 1867 in Leipzig; † 26. Januar 1948 in Stockholm) Gedanken. In der satirischen Zeitung Simplicissimus stellte er eine „sinnvolle“ Verwendung des Vier-Pfennig-Stückes vor.

Bekanntmachung über die Ausprägung von Reichs-Kupfermünzen
im Nennbetrag von 4 Reichspfennig vom 1. Februar 1932.
Bildquelle: RGBl. I 1932, S. 57.

4-Reichspfennig-Münze, 1932
Foto: Bronnert
Nach ihrer Einführung am 1. Februar 1932 blieb die 4-Pfennig-Münze nicht einmal zwei Jahre im Umlauf. Die Reichsbank tat sich schwer, dass Vier-Pfennigstück an die Bevölkerung zu bringen. Öffentliche Einrichtungen und Banken riefen die Pfennige nicht ab. Die 50 Millionen ausgegebenen Münzen wurden vielfach bei der Reichsbank wieder eingetauscht. Viele Menschen befürchteten einen Vermögensverlust und verweigerten sich der Annahme der Münze. In letzter Verzweiflung ordnete Brünings Regierung sogar an, dass bei jeder Gehaltszahlung von staatlichen Angestellten jeweils 2 Reichsmark in 4 Pfennigstücken ausgezahlt werden soll. Auch das führte jedoch nicht zum gewünschten Effekt.
Die Tage der kleinen Münze war nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gezählt. Bereits die „Verordnung des Reichspräsidenten über Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzen, der Wirtschaft und der Rechtspflege (RGBl. I 1933, S. 109 ff.) vom 18. März 1933 bestimmte, dass die Münze bis zum 15. Oktober 1933 außer Kurs gesetzt werden sollte.
Im Katalog „Die deutschen Münzen seit 1871“ finden sich einige interessante Details zum 4-Reichspfennig-Stück. Danach wurde der Prägestempel von Adolf Moritz Wilhelm Reinhard Kullrich (* 23. Februar 1869 in Berlin; † 1947) angefertigt. Die Münze bestand aus einer Legierung aus 915 Teilen Kupfer, 40 Teilen Zinn und 10 Teilen Zink. Bei einem Durchmesser von 24,0 mm hatte die Münze mit glattem Rand ein Gewicht von 5,000 g. Die Münze wurden 1932 in allen deutschen Prägeanstalten geprägt, und zwar (1):
Münzzeichen | Münze | Jahr | Prägemenge |
A | Berlin | 1932 | 27.100.599 |
D | München | 7.055.000 | |
E | Muldenhütten | 3.729.400 | |
F | Stuttgart | 5.021.648 | |
G | Karlsruhe | 3.050.290 | |
J | Hamburg | 4.093.928 | |
Gesamtprägezahl | 50.050.875 |
Ferner enthält der Katalog (2) einige weitere interessante Informationen:
außer Kurs seit: 1. Oktober 1933
Ende der Einlösungsfrist: 30. September 1933
letzte amtliche Veröffentlichung
über Einlösungen: 31. Dezember 1935
eingelöst wurden bis zu diesem Tag: 45.019.812
verblieben: 5.031.812
= Prozent der Gesamtprägezahl: 10,05
Bleibt noch anzumerken, dass im Falle einer erfolgreichen Preissenkung um 20 Prozent durch die 4-Reichspfennig-Münze man wohl bereits an die Einführung einer 80-Pfennig-Münze als Ersatz für die 1-RM-Münze dachte!
Uwe Bronnert
Quellenangaben:
(1) Kurt Jaeger, Bearbeiter: Michael Kurt Sonntag, Die deutschen Münzen seit 1871, 26. Überarbeitete und erweiterte Auflage, Regenstauf 2019, S. 301, Kat.-Nr. 315.
(2) Ebenda, S. 290.
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