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Bericht über die 5. Numismatische Springschool in Halle (Saale)

Münzen und Geldgeschichte spielen schon seit dem 18. Jahrhundert eine große Rolle an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, denn bereits der Mediziner und Altertumsforscher Johann Heinrich Schulze (1687–1744) sowie der Jurist und Staatswissenschaftler Johann Peter von Ludewig (1668–1743) bezogen Münzen in ihre Lehrveranstaltungen ein. Schulze trug zudem eine umfangreiche, vorwiegend aus antiken Stücken bestehende Sammlung zusammen, die 1761 vom geheimen Kabinettsrat August Friedrich Eichel erworben und der Universität vermacht wurde. Diese Sammlung zählt heute zu den ältesten an deutschen Universitäten und wird weiterhin in der Lehre genutzt.

Teilnehmende der 5. Numismatischen Frühlingsschule 2025


Die Numismatik spielt auch im 21. Jahrhundert eine große Rolle in der Saalestadt Halle. Mit dem Landesmünzkabinett im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, das in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert, der Fundnumismatischen Sammlung sowie den numismatischen Digitalisierungsprojekten, wie S.E.S.A.M., des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Sammlung und dem Lehrangebot an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sind es drei große Standorte, an denen mit Münzen gearbeitet und numismatische Forschung betrieben wird. Diese einmalige Konstellation ermöglicht es uns (Dr. Aylin Tanrıöver, Lehrstuhl für Klassische Archäologie, IKAKLA, MLU, und Ulf Dräger, Landesmünzkabinett im Kunstmuseum Moritzburg Halle der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt) seit dem Jahr 2019, Frühlingsschulen zum Thema

Geldgeschichte zu veranstalten, die an Bachelor- und Masterstudierende adressiert sind.


Da Numismatik an deutschen Universitäten meist nur im Rahmen der historischen Hilfswissenschaften, Klassischen Archäologie oder Alten Geschichte gelehrt wird, ist die Nachfrage nach vertiefenden Angeboten groß. Das zeigt das starke Interesse an unserer Veranstaltung – in diesem Jahr bewarben sich über 25 Studierende verschiedener Universitäten, sogar aus der Türkei.


Die 5. Numismatische Springschool (17.–22. März 2025) bot ein einwöchiges, vielfältiges Programm, das einen breiten Überblick über Themen der Numismatik und Geldgeschichte ermöglichte. Dank der Mitwirkung engagierter Dozent:innen der Universität Halle, des Kunstmuseums Moritzburg, des LDA Sachsen-Anhalt sowie privater Expert:innen konnte ein abwechslungsreiches und praxisnahes Programm realisiert werden. Studierende aus Bamberg, Bochum, Göttingen, Köln, Leipzig, Münster, Oldenburg, Rostock und Halle erhielten dabei theoretische und praktische Einblicke in die Geschichte des Geldes – von der Münzentstehung bis zur digitalen Währung.


Nach einer Einführung über die Numismatische Forschung an der Universität Halle sowie ihre mittlerweile über 5000 Stücke umfassende Münzsammlung, wurden zunächst numismatische Fachbegriffe und über Definitionen der Unterschied zwischen Geld und Münze erläutert. Daran anschließend wurden prämonetäre Geldformen und die Entwicklung des Geldes vorgestellt, um den Kontext für den Beginn der Münzprägung in der ersten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. nachvollziehen zu können. Danach wurde die Entwicklung der griechischen Münzprägung archaischer und klassischer Zeit anhand von zwei Fallbeispielen (Milet und Athen) nachgezeichnet. Während dabei die Stadt als Prägeherr im Vordergrund stand, konnte über die Vorstellung hellenistischer Königsprägungen auch die Rolle des Monarchen in der antiken Münzprägung diskutiert werden. Die sich gleichzeitig mit den letztgenannten Münzen entwickelte Prägetätigkeit Roms wurde im Anschluss in Augenschein genommen. Dabei stand die Entwicklung des Münzwesens in der Republik und die Kommunikationsfunktion der Münzen in der Kaiserzeit im Vordergrund (Dr. Aylin Tanrıöver, MLU). Eine Einführung in die Keltische Numismatik sowie die Vorstellung von Imitationen römischer Münzen im Barbaricum von Dr. Marjanko Pilekić (LDA), der auch seine aktuellen Forschungen einfließen ließ, vervollständigten die Vorstellung der Münzprägung in der Antike. Zudem erhielten die Studierenden aus möglichst allen vorgestellten chronologischen Bereichen auch Originale aus der Sammlung in die Hand und hatten die Gelegenheit diese genauer unter die Lupe zu nehmen und ein Gefühl für die Materialität zu bekommen.

Antike Numismatik im Robertinum


Durch die Einführung in die byzantinische Siegelkunde von Frau Dr. Kristina Rauh (LDA) lernten die Studierenden eine den Münzen verwandte Gattung, ihre Funktion und Ikonographie kennen. Letztgenannte findet sich auch auf den frühen islamischen Münzen, wie Wolfgang Pechstedt (Sammler) in seinem Vortrag über die Islamische Numismatik zu berichten wusste, die anfangs die byzantinischen Münzen imitierten, bevor die Schrift die Geldstücke dominieren sollte. Die Studierenden erhielten einen Überblick über die Münzprägung der verschiedenen aufeinanderfolgenden Dynastien und die damit verbundene Geschichte.


Ulf Dräger (Kunstmuseum Moritzburg, KST) führte die Studierenden in die Entwicklung der Münzprägung des Mittelalters ein und zeigte dabei Beispiele aus aller Welt, die im Kunstmuseum Moritzburg aufbewahrt werden. Besonderen Eindruck hinterließen dabei die Brakteaten aus der Sammlung, die mit großem Aufwand für eine kurze Umlaufzeit im Deutschland des 12.–14. Jahrhunderts hergestellt wurden. Anschließend ging es an die Vorstellung der Münzprägung in der Neuzeit, für die Ulf Dräger erneut kostbare Beispiele aus der Sammlung herumgehen ließ. Das gilt auch für die Einführung in die Medaillenkunde, für die große, kleine, runde sowie eckige Medaillen mit politischem oder religiösem Inhalt aus Italien, Frankreich sowie weiteren Ländern über den Tisch gingen, die oftmals Motive aus der Antike rezipierten.

Mittelalter und Neuzeit in der Moritzburg


Während die Kommunikationsabsicht der Ikonographie auf antiken, mittelalterlichen und auch neuzeitlichen Münzen oftmals nicht bekannt ist und diese zumeist über andere zur Verfügung stehenden Quellen erst erschlossen werden muss, hat der Medailleur Carsten Theumer genau sagen können, was hinter der Motivwahl seiner Medaillen steckt. Nachdem er einige seiner Medaillen, teilweise zusammen mit den noch vorhandenen Modellen herumgegeben hat, bot er zudem an, selbst Medaillenstempel herzustellen. Während die meisten Teilnehmenden ihre Motive in eine Gipsrondelle einkratzten, durften zwei mutige Studentinnen ihre Ideen von Hand und mit einem Dremel in einen Stahlstempel gravieren.

Carsten Theumer erläutert den Studentinnen, wie sie das Motiv in den Stempel übertragen

Übertragung der Idee auf den Stempel


Prof. Dr. Dirk Schaal (MLU) entführte die Studierenden in die Welt der Wertpapiere und das in diese gesteckte Vertrauen. Sie erhielten dabei einen Überblick über die Entwicklung und Ikonographie von historischen Wertpapieren und hatten die Gelegenheit, selbst einige Aktien genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Entstehung des Papiergeldes und dessen Weiterentwicklung führte Sven Koch (LDA) mit zahlreichen Beispielen aus und erläuterte die Probleme, die, wie bei den Wertpapieren, insbesondere in der Akzeptanz der Geldform begründet lagen. Während man mit diesen Geldformen noch etwas in der Hand hatte und hat, ist die neueste Form des Geldes unsichtbar. Prof. Dr. Dr. Rüdiger Pohl (MLU) führte die Studierenden in die Welt der Kryptowährungen ein und machte auf die mit der Einführung des Digitalen Euros verbundenen Probleme aufmerksam, die die Studierenden zu vielen Fragen motivierten.

Vertrauen oder lieber nicht?!


Münzen stellen auf Ausgrabungen stets einen besonderen Fund dar, da sie als Bild- und Schriftträger zumeist eine konkretere Datierung des Befundes erlauben. Dass die Interpretation aber von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängen kann, erläuterte Prof. Dr. Matthias Becker (LDA) anhand unterschiedlicher Fallbeispiele. Dabei erhielten die Studierenden einen Eindruck von möglichen Fundkontexten sowie dem Erhaltungszustand von Münzen, die frisch aus der Erde geborgen wurden. Den Umgang mit diesen stellte Petra Hofmann (Berlin) vor, die die Dokumentationsschritte, die unterschiedlichen Reinigungsmethoden sowie ihre bestmögliche Konservierung und Aufbewahrung beleuchtete. Nach der theoretischen Einführung durften die Studierenden sich selbst an die manuelle

Reinigung von Münzen machen.

Vorsichtig Kratzen


Die Erforschung der zahlreich gefundenen Münzen ist nur nach einer sorgfältigen und zugänglichen Dokumentation möglich. Diese erfolgt heutzutage digital in unterschiedlichen Datenbanken mit verschiedenen zur Verfügung stehenden Methoden, die Anika Tauschensky (LDA) vorgestellt hat. Dabei ging es um die Bedeutung von Normdaten, der Einsatz von Fotos vs. Fotogrammmetrie vs. 2,5- bis 3D-Modellierungen, den damit einhergehenden Datenmengen und ganz wichtig die Nutzbarkeit all dieser Daten für weiterführende Fragestellungen. Anika Tauschensky stellte auch das aktuelle Projekt S.E.S.A.M. des LDA vor, bei dem es darum geht, die Fundmünzen in allen Museen Sachsen-Anhalts zu digitalisieren, was in Zukunft u. a. die Rekonstruktion von Währungsräumen ermöglichen wird. Digitalisierungsstrategien und Aufbewahrung sowie insbesondere Präsentation spielten auch bei den Besuchen in der Moritzburg, im Robertinum und in der Zentralen Kustodie der MLU eine entscheidende Rolle. Dabei erhielten die Studierenden Einblicke in das Sammlungswesen und lernten die Schwierigkeiten kennen, die mit der Planung einer neuen Ausstellung verbunden sein können.

Medaillen in der Zentralen Kustodie der MLU


Eine Exkursion ins Museum „Alte Münze“ in Stolberg (Harz) vermittelte schließlich eindrücklich den handwerklichen Aufwand der Münz- und Medaillenherstellung. Auch in diesem Jahr war es dank Dr. Monika und Dietrich Lücke möglich, Medaillen zu prägen, und zwar mit den während der Frühlingsschule von zwei teilnehmenden Studentinnen entworfenen Stempeln. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Athena lässt grüßen (by J. Marien und M. J. Werner)


Die sechs intensiven Tage verbanden theoretischen Input mit praktischer Erfahrung. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch die Numismatische Kommission der Länder der BRD konnte auch in diesem Jahr den angereisten Studierenden ein Reisekostenzuschuss gewährt werden; dafür sind die Organisatoren und insbesondere die Studierenden sehr dankbar. Ein kleiner Empfang, der finanziell vom Numismatischen Verein Halle gefördert wurde, bot den Teilnehmern sowie den Dozentinnen und Dozenten die Möglichkeit sich kennenzulernen und einen numismatischen Plausch zu halten. Die Vereinigung der Freunde und Förderer der Universität Halle gewährte auch in diesem Jahr eine finanzielle Unterstützung, durch die die Realisierung des Medaillenworkshops und die Fahrt nach Stolberg ermöglicht werden konnten.

Herstellung von Brakteaten (Dietrich Lücke)


Beim Abschlussgespräch wurde der epochenübergreifende und interdisziplinäre Charakter der Veranstaltung besonders gewürdigt. Alle Teilnehmenden sprachen sich für eine Fortsetzung im kommenden Jahr aus (16.03.–21.03.2026).

Die Teilnehmenden vor der Moritzburg


Ein herzlicher Dank gilt allen Förderern und insbesondere den Dozent:innen, die die Numismatische Springschool mit großem ehrenamtlichem Engagement ermöglicht haben.


Dozierende:

M. Becker (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt), U. Dräger (Kulturstiftung

Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle), P. Hofmann (Berlin), S. Koch (Landesamt für

Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt), M. Lücke (Martin-Luther-Universität Halle-

Wittenberg), D. Lücke (Halle), W. Pechstedt (Halle), Marjanko Pilekić (Landesamt für Denkmalpflege

und Archäologie Sachsen-Anhalt), R. Pohl (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), K. Rauh

(Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt), D. Schaal (Zentrale Kustodie der

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), A. Tanrıöver (Martin-Luther-Universität Halle-

Wittenberg), A. Tauschensky (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt) und

C. Theumer (Halle)


Sponsoren:

Numismatische Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Vereinigung der Freunde und Förderer der MLU

Numismatischer Verein Halle e. V.

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