Anfangs stieß der Vormarsch der Briten im November 1885 auf die Hauptstadt Mandalay auf heftigen Widerstand der Birmesen: „Hlay-thin Atwin Wun und seine Streitkräfte erwiesen sich in der Schlacht von Myingyan als erfolgreich. König Thibaw Min schickte dem General als Belohnung für ihre Tapferkeit zehn Viss Gold, außerdem 270 Goldmedaillen sowie Becher aus Gold für seine Gefolgschaft.“ Die birmesische Maßeinheit Viss entsprach 1.536,9 Gramm. „Aber am nächsten Tag wurden die Truppen zurückgeworfen. Das Gold verloren sie unterwegs. Später wurden etwa vier Viss des Schatzes wiedergefunden. Colonel Sladen gab sie an Hlay-thin Atwin Wun als den rechtmäßigen Eigentümer zurück.” (Daw Kyan: Hlay-thin Atwin Wun and viss of gold, in: Myawaddy, Bd. 21, Nr. 11, September 1973, S. 25, zu finden auf: burmalibrary.org.)
Burmas König Thibaw Min (1859-1916) im Jahr 1880. Bildquelle: Wikimedia, Manske.
Am 28. November 1885 besetzten die Briten, von indischen Sepoy-Söldnern unterstützt, die burmesische Hauptstadt Mandalay. Wie man sich die Plünderungen in den königlichen Palastanlagen von Mandalay vorzustellen hat, kann auf den ersten Seiten des Romans Der Glaspalast nachgelesen werden. Der indische Autor schreibt, dass nach dem ersten Raubzug der Eroberer tausende habgierige Einheimische in den Palast stürmten: „Sie zerhackten mit Juwelen besetzte Kästchen, brachen Edelsteine aus dem verzierten Marmorboden, kratzten mit Hilfe eines Angelhakens die Elfenbein-Intarsien aus Truhen.“ (Amitav Ghosh, Der Glaspalast, München 2000, S. 44.) Der birmesische König Thibaw Min (1859-1916) und seine Gattin wurden ins Exil nach Indien geschickt.
Das Königreich Birma hatte über 1.000 Jahre existiert. In den letzten Jahrzehnten seiner Existenz verfügte es auch über eine moderne Münzprägung. Die entsprechenden Reformen leitete König Mindon Min (reg. 1853-1878) ein. Er war nach dem Zweiten Britisch-Birmanischen Krieg an die Macht gekommen, in dem das Königreich seine südlichen Territorien verloren hatte. Um das rückständige Land zu modernisieren, schickte er Studenten nach Europa und in die USA. Bereits kurz nach seinem Regierungsantritt experimentierte Mindon Min mit einer Serie grob gestempelter Silbermünzen. Die Stücke konnten sich im Handel jedoch nicht durchsetzen. Im Jahr 1862 versprach ein Franzose, der eine Konzession im Teakholz-Handel anstrebte, moderne Prägetechnik zu liefern. Noch während die Verhandlungen liefen, erfuhren die Briten von dem Geschäft. Sie unterbreiteten ein günstigeres Angebot. So wurden die Maschinen von der Münzstätte Ralph Heaton & Sons in Birmingham geliefert.
Silber-Kyat, Mindon Min, 1865, datiert auf 1853, Silber. Bildquelle: Numista, Heritage Auctions.
Im Jahr 1865 erschienen die ersten Münzen mit einem Rad schlagendem Pfau und der Umschrift für die königliche Prägestätte auf der Vorderseite. Auf der Rückseite ist außerhalb der gekreuzten Zweige die Ortsangabe der Königsresidenz Mandalay angegeben. Im Kranz befinden sich Wertangabe und Datum in buddhistischer Zeitrechnung. Hergestellt wurden die Münzen in einem Gebäude der königlichen Palastanlagen von Mandalay. Dem System des Nachbarlandes Britisch-Indien entsprechend, basierte die Währung auf dem Silber-Kyat, einem Äquivalent der indischen Rupie. Zwischen 1865 und 1885 sind über 26 Millionen dieser Münzen aus 917er Silber mit einem Gewicht von etwa 11,6 Gramm geprägt worden. Datiert wurden sie auf das Jahr der Machtübernahme des Königs, also 1853. Die Teilstücke des Silber-Kyat bis zu einem Wert von 1/32 Anna wurden in Kupfer und anderen unedlen Metallen hergestellt.
1 Gold-Kyat, Mindon Min, 1866, Gold. Bildquelle: The Saleroom, Baldwins.
Höchstes Nominal war der im Jahr 1866 erstmals geprägte Gold-Kyat mit einem mythischen Wächterlöwen auf der Vorderseite. Sein Wert entsprach 16 Silber-Kyat und war das Äquivalent des indischen Mohur. Als Mindon Min im Jahr 1878 starb, ermöglichte dessen Witwe mithilfe eines Massakers unter 97 konkurrierenden Prinzen, dass ihr Sohn Thibaw Min (reg. 1878-1885) den Thron besteigen konnte. Unter seiner Regentschaft wurden lediglich noch Goldmünzen zu 5 Mu im Wert eines halben Mohur sowie Scheidemünzen aus Kupfer geprägt.
5 Mu, Thibaw Min, 1878, Gold. Bildquelle: Pinterest, Heritage Auctions.
Im Streit um ausstehende Zölle für den lukrativen Teakholz-Handel überwarf sich der König endgültig mit den Briten. Die brachen im November 1885 mit 11.000 Soldaten und einer Kohorte von Elefanten aus Britisch-Indien zu einer Strafexpedition auf.
Nach der Angliederung Burmas an das indische Kolonialreich ist der Teakholz-Handel von Briten und Indern organisiert worden. In vielen indischen Dörfern wurden die Arbeiter dafür angeworben. In dem Roman Der Glaspalast ist es der Geschäftsmann Babura, der im Schatten eines Baumes auf die Bauern einredet. Burma sei ein Land des Goldes, erklärt er. Früher habe er nichts besessen, nicht einmal eine Ziege oder eine Kuh. In Burma sei er reich geworden. Er zeigt seinen mit Troddeln verzierten Schal, streckt die Hände mit Gold- und Rubinringen vor. Dann nimmt er einen Samtbeutel, öffnet ihn und lässt silberne Rupien durch seine rechte Hand rieseln. All das könnten auch sie besitzen, wenn sie einen Daumenabdruck unter den Kontrakt hier setzten: „Ist jemand unter euch, den noch Zweifel plagen? Ist jemand unter euch, der seinem Lehnsherrn Geld schuldet? Ihr könnt eure Schulden sofort begleichen, hier und jetzt. Sobald eure Söhne und Brüder ihre Zeichen auf diese Verträge gesetzt haben, gehört das Geld euch. In ein paar Jahren haben sie genug verdient, um sich von der Schuld loskaufen zu können. Dann sind sie frei, zurückzukehren, oder in Birma zu bleiben, ganz wie sie wollen.“ (Amitav Ghosh, Der Glaspalast, S. 149f.)