Als der Mensch vor einigen Millionen Jahren sich anschickte, das Erdenrund zu erobern, trat er seinen Siegeszug von Afrika aus an. Schauen wir uns die afrikanischen Nationalstaaten an, ernüchtert der heutige materielle Entwicklungsstand der auf dem Kontinent verbliebenen „Pioniere“ allerdings. Lange Zeit wurden rassische Unterschiede als Ursache dafür gesehen. Professor Jared Diamond, Evolutionsbiologe an der Universität von Kalifornien, hat sich des Phänomens angenommen. Sein preisgekröntes Buch Arm und Reich – Die Schicksale menschlicher Gesellschaften (Frankfurt 1999) gibt unter anderem Aufschluss darüber, warum erst in jüngster Zeit das Münzgeld über Naturalgeld triumphierte. Im Prolog seines Buches schreibt er, dass es aus vielerlei Gründen kein Zufall ist, dass die Europäer die Welt eroberten. Am Ende der letzten Eiszeit entwickelte sich in einigen Gegenden der Welt die Landwirtschaft, gefolgt von hohem materiellem und kulturellem Reichtum. Doch nicht überall: So „gibt Afrika, über Jahrmillionen Stätte der menschlichen Evolution (…) nach wie vor große Rätsel auf. Angesichts des gewaltigen zeitlichen Vorsprungs, den Afrika zweifellos besaß, stellt sich die Frage, warum Kanonen und Stahl nicht zuerst in Afrika auftauchten und den Afrikanern die Macht gaben, Europa zu erobern.“ (Ebenda, S. 29). Hätte vor 10.000 Jahren ein Außerirdischer unseren Planeten besucht, schreibt Diamond, hätte dieser wahrscheinlich den Schluss gezogen, „Europa werde dereinst als Ansammlung von Vasallenstaaten eines subsaharischen afrikanischen Großreichs enden.“ (Ebenda).
Den wichtigsten Grund dafür, dass es anders kam, sieht Jared Diamond in den klimatischen Bedingungen, die eine effektive Landwirtschaft behinderten. Entlang der afrikanischen Nord-Süd-Achse gebe es sehr unterschiedliche klimatische Verhältnisse. In den einzelnen Zonen treten völlig unterschiedliche Temperaturen und Niederschlagsmengen auf. Ein Austausch von Kulturgewächsen und Haustieren war faktisch unmöglich. Auch technische Errungenschaften kamen auf dieser Nord-Süd-Achse nur im Schneckentempo voran: „Die Töpferei, im Sudan und in der Sahara schon um 8.000 vor Christus bekannt, erreichte die Kap-Region erst um die Zeitwende. Obwohl die Schrift in Ägypten schon um 3.000 vor Christus erfunden wurde und in Alphabet-Form nach Nubien und Äthiopien (…) gelangte, wurde sie im übrigen Afrika nirgendwo unabhängig entwickelt, sondern erst von Arabern und Europäern eingeführt.“ (Ebenda, S. 499). In Europa und Asien bewegt man sich dagegen auf einer Ost-West-Achse mit ähnlichen klimatischen Bedingungen. Die gesellschaftliche Entwicklung durch Warentausch wurde so erleichtert. Es gibt also keine rassischen Gründe für den schleppenden Fortschritt, sondern geografische und biogeografische Unterschiede.
Mangels eines effektiven Austausches hielt sich das Naturalgeld in verschiedenen Regionen Afrikas bis in die jüngste Zeit. Die verwendeten Naturprodukte waren jedoch unterschiedlich: „In Äthiopien wurde zuweilen Pfeffer als Zahlungsmittel verwendet. Im Bergland von Fouta-Djalon in Guinea dienten Körbe mit geschälten Cerealien (Sorgho, Mais, Hirse oder Maniok) als Maßeinheit.“ (René Sedillot, Muscheln, Münzen und Papier – Die Geschichte des Geldes, Frankfurt/Main 1992, S. 30). Weil Nahrungsmittel mit Salz haltbar gemacht werden konnten, dienten auch Salzbarren als Zahlungsmittel: „In der afrikanischen Sahara übernahm es tatsächlich diese Funktion, denn Salz war hier so knapp, dass es zur begehrten und gehorteten Ware wurde. Unter den Stämmen stritt man um die Salinen, und wer sie kontrollierte, war allmächtig.“ (Ebenda, S. 39).
Manilla-Armreif, Nigeria, 19. Jahrhundert, Kupfer, 710 Gramm. Bildquelle: Wikimedia, Junghans.
Andernorts waren Kaurischnecken, Eisenringe und Armreifen im Umlauf. „Solche Währungen konnten durchaus kurzzeitig im Wert schwanken, beispielsweise das Muschelgeld in Nigeria, von dem man sagte, man müsse den Tageskurs ebenso sorgfältig verfolgen wie beispielsweise den Silberkurs in Bombay. Vorwiegend an der Goldküste im Umlauf waren Manillas, zu offenen Armringen geformte Kupfer-, Messing- oder Eisenbarren.“ (Elvira und Vladimir Clain-Stefanelli, Das große Buch der Münzen und Medaillen, Augsburg 1991, S. 16). Letztere wurden aber auch als Währung für den transatlantischen Sklavenhandel durch die Europäer bekannt. Erst mit dem Vordringen des Fernhandels an der afrikanischen West- und Ostküste verbreitete sich allmählich Münzgeld. Die Kaufleute der großen Handelszentren rechneten in arabischen Gold-Dinars oder europäischen Dukaten.
Maria-Theresia-Taler, Österreich, 1780, portugiesischer Gegenstempel für Mozambique, Silber, 28 g. Bildquelle: Oslo Myntgalerie, Auction 17, Lot 1550.
Später wurden sie von den genormten und schwer zu fälschenden Maria-Theresia-Talern aus Silber abgelöst. In Äthiopien behaupteten sich die Taler bis nach dem Zweiten Weltkrieg.
Moderne Zahlungsmittel setzten sich erst unter dem Einfluss der europäischen Kolonialherrschaften durch. In den einstigen französischen Kolonien gilt der regionale Franc zu 100 Centimes, in den früheren britischen Kolonien oft noch der Shilling zu 100 Cents. Vielerorts kursiert der US-Dollar als wertstabile Alternative anstelle der einheimischen Währung.
100 Francs, Kongo, 1965, Gold, 32 g. Bildquelle: Künker, FA 2017, Losnummer 5290.
Die mangelnden Erfahrungen mit einer eigenen Währung führte der eingangs erwähnte Prof. Jared Diamond auf die Geschichte des Kontinents zurück. Bis ins 19. Jahrhundert lebten die örtlichen „Häuptlingsreiche“ von reziproken Austauschbeziehungen. Dabei behielten die Sippen der Häuptlinge hohe Tributleistungen für sich ein. Mit dem abrupten Sprung in die Neuzeit ist dieses System nicht vollständig beseitigt worden. Viele Kleptokraten an der Spitze afrikanischer Staaten beanspruchen den Tribut heute in Form einer „klingenden Münze“ für sich. Münzsammler stoßen häufig auf afrikanische Gold- und Silberprägungen, die kurz nach der Unabhängigkeit erschienen. Dabei handelt es sich zumeist um Agenturprägungen aus Europa, die vertraglich autorisiert wurden. Zahlreiche afrikanische Länder schlossen damals solche Verträge über Agenturmünzen ab. Ein Großteil der Münzen ging an Anleger und Sammler in Europa sowie Nordamerika. Nur ein kleiner Teil fand im Rahmen von Lizenz-Deputaten den Weg in das Ausgabeland. Bereits anhand dieser Deputate ist die in Afrika noch immer verbreitete Korruption ablesbar. Der Eitelkeit der Herrscher geschuldet, zeigt das höchste Nominal der Münzkollektionen in der Regel ein Porträt des jeweiligen Präsidenten. Viele der gelieferten Münzscplen wurden an Angehörige der regionalen Oberschicht verschenkt, die sich zumeist aus Parteifreunden und Familienangehörigen des Staatsoberhauptes zusammensetzt.