Emile Zola (Romancier, 1840-1902). Bildquelle: Wikimedia.
Emil Zolas neues Buch sollte zunächst Die Börse heißen. Dann gab er ihm jedoch den Titel: Das Geld (L‘Argent). Es erschien in seinem zwanzigbändigen Romanzyklus über die Familie Rougon-Marquart. Zola recherchierte jahrelang. Der größte Teil des im Jahr 1890 erschienenen Werkes spielt an der Pariser Börse. Dort durchlebt der zu allem entschlossene Spekulant Saccard ab 1864 seine größten Triumphe, in der Bankenkrise von 1867 aber auch die schwersten Niederlagen.
Französische 20-Francs-Goldmünzen. Bildquelle: Scheideanstalt.
Im dritten Kapitel fahndet Saccard nach dem Kapital für seine neue Unternehmensidee, die Banque Universelle. Unterwegs zu einem Wechselmakler in der Rue de la Banque, wird er von einem Regen- und Hagelschauer überrascht. Er flüchtet sich in einen Torweg: „Dort stand er seit einer Minute und sah den Platzregen niedergehen, als ein helles Geläut von Goldstücken das Rauschen des Regens übertönte und ihn die Ohren spitzen ließ. Es schien aus dem Erdinnern zu kommen, anhaltend, leise und melodisch wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Er wandte den Kopf, hielt Ausschau, und merkte, dass er sich unter dem Torbogen des Hauses Kolb befand, jenes Bankiers Kolb, der sich vor allem mit Arbitragen in Gold befasste. Er kaufte das Münzgeld in den Staaten auf, wo es niedrig im Kurs stand, schmolz es dann ein und verkaufte die Barren in den Ländern, in denen Gold einen hohen Kurswert hatte; und an den Schmelztagen stieg aus dem Keller von früh bis spät das kristallene Geräusch der Goldstücke empor, die scheffelweise aus Kisten in den Schmelztiegel geworfen wurden. Das ganze Jahr über klingen den Passanten auf dem Bürgersteig die Ohren davon.“ (Emile Zola, Das Geld, Berlin 1976, S. 101)
20 Dollar (USA 1864, Gold). Bildquelle: USA Coinbook.
Saccard versucht den Unternehmer sofort als Geldgeber für seine Bank zu gewinnen: „Kolb war gerade unten in der Gießerei; und als Freund des Hauses ging Saccard zu ihm hinunter. In dem kahlen, ständig von großen Gasflammen erhellten Keller schaufelten die beiden Schmelzer an diesem Tage spanische Goldstücke aus den mit Zinkblech ausgeschlagenen Kisten und warfen sie in den Schmelztiegel auf dem großen viereckigen Ofen. Es herrschte große Hitze, man musste laut sprechen, um sich bei diesem ständigen Klingklang, der wie die Klänge einer Harmonika unter dem niedrigen Gewölbe widerhallte, verständlich zu machen. Geschmolzene Barren, goldene Pflastersteine reihten sich im lebhaften Glanze neuen Metalls in langer Reihe auf dem Tisch des Chemikers, der als Probierer ihren Feingehalt bestimmte. Seit dem Morgen waren über diesen Tisch mehr als sechs Millionen gegangen, die dem Bankier kaum drei- oder vierhundert Francs Gewinn einbrachten; denn die Arbitrage in Gold, bei der man die Kursdifferenz ausnutzt, die äußerst klein ist und nach Tausendsteln geschätzt wird, kann nur bei beträchtlichen Mengen von Schmelzgut Gewinn bringen. Daher vernahm man in der Tiefe dieses Kellers das ganze Jahr hindurch vom Morgen bis zum Abend diesen Klingklang, dieses Rieseln des Goldes. Das Gold, das in geprägtem Zustand dorthin kam, verließ den Keller in Barrenform, um gemünzt zurückzukehren und als Baren wieder hinauszugehen - in einem fort zu dem einzigen Zweck, in den Händen des Händlers einige Goldteilchen zurückzulassen.“ (Ebenda, S. 135)
100 Reales (Spanien 1864, Gold). Bildquelle: Emporium Hamburg.
Das Investment in Saccards Bankhaus sollte sich für Kolb zu einem Totalverlust auswachsen. Einer kurzzeitigen Hausse um die Banque Universelle folgte ein Zusammenbruch, der die Börse monatelang in Atem hielt. Emile Zola hatte für seine Schilderungen zunächst die Bankaffären von Jules-Isac Mirès und den Brüdern Péreire aus dem Zweiten Kaiserreich vor Augen. Die umfangreichsten Bezüge weist das Geschehen jedoch zum Zusammenbruch der Union Générale von 1882 auf.