Am 10. Mai 1881 heiratete der 23-jährige Erzherzog Rudolph (1858-1889), der Kronprinz und einzige Sohn Kaiser Franz Josephs I., die 17-jährige Stephanie von Belgien (1864-1945). Dies Ereignis zum Anlass nehmend, emittierte das Haus Habsburg 1881 eine 82 g schwere und 55 mm große Silbermedaille. Diese zeigt auf ihrer Vorderseite die nach rechts gestaffelten Büsten Rudolphs und Stephanies und nennt ihre Titulaturen in Latein.
Medaille (1881) von Trautenhayn auf die Hochzeit von Erzherzog Rudolph mit Stephanie von Belgien, Silber, 82,13 g, Ø 55 mm. Bildquelle: MA-Shops, Emporium Hamburg.
Auf der Rückseite der besagten Medaille sehen wir allerdings nicht etwa eine Trauszene, wie auf den silbernen 1 und 2 Guldenstücken, die 1854 zur Vermählung von Kaiser Franz Joseph mit Elisabeth von Bayern geprägt wurden, sondern eine geflügelte Figur und lesen MATRIMONIO • IVNCTI • VINDOB • X • MAII • MDCCCLXXXI (Durch die Ehe verbunden bzw. vereinigt. Wien 10. Mai 1881). Da es sich bei der geflügelten Figur aber nicht um ein weibliches Wesen handelt, kann es auch keine weibliche Allegorie, wie z. B. Victoria sein. Betrachtet man das geflügelte Wesen etwas genauer, so erkennt man einen antikisch gewandeten Jüngling mit einem Rosenkranz im Haar, der in seiner Linken eine brennende Fackel hält und mit seiner Rechten ein Tuch ausbreitet, aus dem eine Menge Rosen fallen. Weil der Jüngling allerdings weder Pfeil und Bogen trägt, noch Herzen verteilt, ist er offensichtlich auch nicht der Liebesgott Amor. Aber wer ist er dann? Nun, folgt man der antiken griechischen Mythologie, dann gibt es einen Gott, der speziell für Hochzeiten da war. Dies war Hymenaios, der Gott der Hochzeit, dessen Name vom griechischen Wort für Hochzeitslied ebenfalls „hyménaios“ stammt. „Üblicherweise wird Hymenaios als Sohn einer Muse dargestellt, kann aber auch Sohn der Musiker Apollon oder Magnes sein.“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 5, Sp. 784.). Einige antike Autoren interpretieren ihn jedoch als Sohn des Gottes Dionysos.
Hymenaios mit Hochzeitsfackel. Mosaik aus Saal 3 der Neptuntherme. Ostia antica in Latium. Bildquelle: Wikimedia Commons, Marie-Lan Nguyen.
Ein Kult für Hymenaios, so die Fachwelt, ist nicht bekannt, doch soll er während der Hochzeitszeremonien in Athen beispielsweise mit seinem Namen angerufen worden sein. Das Attribut, mit dem Hymenaios auch schon in der Antike dargestellt wurde, ist die Hochzeitsfackel. Weitere Attribute des Hymenaios, wie z. B. safrangelber Schleier und Blumen- bzw. Rosenkranz, finden sich zudem vor allem in bildlichen Darstellungen.