Die unheilvolle Entwicklung begann 1870 mit der spanischen Thronkandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen. Der französische Kaiser Napoleon III. (1808-1873) war strikt gegen ein Staatsoberhaupt aus deutschen Landen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck (1815-1898) unterstützte dagegen die Kandidatur. Wilhelm I., preußischer König, (1797-1888) wollte einen Affront vermeiden. Am 12. Juli 1870 bestellte er Bismarck an seinen Kurort Ems, um ihm mitzuteilen, dass Leopold die Kandidatur zurückgezogen habe und er selbst den französischen Botschafter darüber unterrichtet habe. Der Ministerpräsident und die preußische Generalität waren entsetzt. Sie hatten ganz bewusst auf eine Provokation gesetzt, auf einen Krieg mit Frankreich! Unerwartet ergab sich aber eine zweite Chance für Bismarck und die Generäle. Die Franzosen verlangten von Preußen eine Garantie, dass es auch künftig auf eine Thronkandidatur eines Hohenzollern verzichten werde. Wilhelm I. setzte ein Telegramm auf, die Emser Depesche, in dem diese Forderung freundlich zurückgewiesen wurde. Bismarck redigierte den Text so, dass sich Frankreich provoziert fühlen musste. Napoleon III. tappte in die Falle: „In tragischer Verquickung von Pech, Unverstand und Unkenntnis stolperte Frankreich in einen Krieg gegen die größte militärische Macht, die Europa je erlebt hatte, in eine schlechte Sache, mit einer nicht bereitstehenden Armee, ohne Verbündete.“ (Michael Howard, The Franco-Prussian War – The German Invasion of France 1870-1871, London 1979, S. 57).
Bismarck und Napoleon III. nach der Schlacht von Sedan (1870). Bildquelle: Wikimedia, Bulgarian Archives.
Mit Unterstützung der Berliner Bankiers Adolph von Hansemann (1826-1903) und Gerson Bleichröder (1822-1893) ist im Herbst 1870 eine Anleihe zur Finanzierung des Krieges aufgelegt worden: „Ende Oktober bildete Hansemann ein Konsortium, das der Öffentlichkeit in Berlin und London 20 Millionen Taler anbieten würde. Hansemanns Disconto-Bank zeichnete für 4.300.000, Bleichröder und die Frankfurter Rothschilds je drei Millionen Taler. Die Auflegung der Anleihe erwies sich als großer Erfolg – sie war sorgfältig vorbereitet worden, und außerdem waren ihr große Siege Preußens vorhergegangen.“ (Fritz Stern, Gold und Eisen – Bismarck und sein Bankier Bleichröder, Reinbek 1988, S. 197.) Doch nicht nur die preußischen Kriegskosten mussten mit Geldmitteln gedeckt werden. Das finanziell klamme Bayern fragte bei Bismarck an, ob Preußen die Kosten der bayerischen Mobilmachung in Höhe von drei Millionen Gulden (1.700.000 Taler) vorschießen könne. Bleichröder vermittelte zwischen Bismarck und dem bayerischen Gesandten: „Am 1. August dampfte ein schwerbewachter und schwerbeladener Zug von Berlin durch das Königreich Sachsen nach München. Seine Ladung bestand aus drei Millionen Gulden in Silberbarren und Silbertalern.“ Der Einsatz des deutsch-jüdischen Bankiers sollte nicht umsonst gewesen sein: „Am 3. September verlieh Ludwig II. Bleichröder das Comthurkreuz des königlichen Verdienstordens vom heiligen Michael unter ausdrücklicher Würdigung seiner Verdienste um die Beschaffung des Darlehens und zur ‚Aneiferung bei künftigen ähnlichen Gelegenheiten‘.“ (Rudolf Lenz, Kosten und Finanzierung des Deutsch-Französischen Krieges 1870-1871 - dargestellt am Beispiel Württembergs, Badens und Bayerns, Boppard 1970, S. 82-84).
Erinnerungstafel zum Deutsch-Französischen Krieg. Bildquelle: Wikimedia, Bresson.
Bei den Verhandlungen über die Kriegsentschädigung im Februar 1871 in Versailles pokerte Bismarck gegenüber dem französische Premierminister Adolphe Thiers (1797-1877) bewusst hoch. Graf von Waldersee (1832-1904) beobachtete, dass der spätere Reichskanzler plötzlich „6 Milliarden“ auf einen Zettel schrieb. Nachdem Thiers einen Blick darauf geworfen habe, sei er aufgesprungen, als habe ihn ein Hund gebissen. Er schrie laut auf, lief Sturm in allen Tonarten und rief: „Mais c’est une indignité!“ (Denkwürdigkeiten des General-Feldmarschalls Alfred Grafen von Waldersee, Stuttgart 1922, Bd. 1, S. 162).
20 Francs (letzte Ausgabe im Kaiserreich, Frankreich, 1870, Gold). Bildquelle: Comptoir des Monnaies.
Letztlich wurde die Entschädigung auf fünf Milliarden Francs festgelegt, was 1.450 Tonnen Feingold entsprach. In Artikel 2 des Friedensvertrages zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich vom 10. Mai 1871 hieß es: „Frankreich wird seiner Majestät dem Deutschen Kaiser die Summe von 5 Milliarden Francs zahlen. Mindestens eine Milliarde Francs wird im Laufe des Jahres 1871 und der ganze Rest der Schuld wird im Laufe dreier Jahre, von der Ratifikation des gegenwärtigen Vertrages ab, gezahlt werden.“
20 Mark (erste Reichsgoldmünze, Preußen, 1871, Gold). Bildquelle: Künker, HA 2017, Los 5796.
Mit dem Geld war Deutschland in der Lage, die Goldmark einzuführen: „Allerdings ist nur ein ganz kleiner Teil der Summe von Frankreich direkt in Gold erbracht worden. Mehr als die Hälfte der Zahlungen bestand aus Wechseln auf deutsche Plätze und ein gutes Viertel aus Wechseln auf Plätze in England, Holland und Belgien. Insgesamt erhielten die deutschen Empfänger 4,3 Milliarden Francs in Wechseln. Mithilfe der Auslandswechsel und der eingehenden Silberzahlungen beschaffte sich das Reich bis 1874 vor allem in London das benötigte Währungsgold.“ (Deutsche Bundesbank, Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Frankfurt 1976, S. 6).