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Die Jahrhundertmünze


Seit April 2015 zeigt das Museum August Kestner in Hannover „Die Jahrhundertmünze“. Die Präsentationsreihe konzentriert sich – alle drei Monate wechselnd – immer auf eine Münze und beleuchtet ihren historischen Hintergrund. Verantwortliche Kuratorin ist Dr. Simone Vogt, der wir auch die Texte verdanken. Bei der 17. Jahrhundertmünze arbeitete auch Sebastian Hanstein von der Forschungsstelle für islamische Numismatik Tübingen mit.

Alle bisher präsentierten Jahrhundertmünzen werden gleichzeitig in einer Sonderausstellung gezeigt, die bis zum 28. April 2019 verlängert wurde.

Wir zeigen Ihnen bei muenzen-online.com alle Jahrhundertmünzen aus Hannover, hier die Jahrhundertmünze Nr. 17 und dann voranschreitend im vierteljährlichen Rhythmus des Museums August Kestner. Noch schöner sehen Sie die Münzen nur im Museum August Kestner, Trammplatz 3, 30159 Hannover; Öffnungszeiten: Di-So 11–18 Uhr, Mi 11–20 Uhr, Mo geschlossen.

Die 17. Jahrhundertmünze:

11. Jahrhundert nach Christus

Dinar, Gold, Ägypten, Reich der Fatimiden, Kalif al-Mustanṣir, 1043/44 n. Chr. Gew. 4,15 g (Inv.-Nr. Te 2343)

Wenn eine Münze die Geschichte ihrer Entstehungszeit emblematisch widerspiegelt, wird sie im Museum August Kestner zur Jahrhundertmünze und im Erdgeschoss des Museums in einer Einzelvitrine drei Monate lang präsentiert.

Die Kulturgeschichte Ägyptens bildet einen inhaltlichen Schwerpunkt im Museum August Kestner. Dabei sind vor allem materielle Hinterlassenschaften der pharaonischen Zeit in der Sammlung zu finden. Vereinzelte Objekte belegen aber auch die Geschichte des Nillandes in nachantiker Zeit.

So zeugt die Goldmünze (Abb. 1) des Kalifen al-Mustanṣir (reg. 1036–1094!) von der islamischen Fatimiden-Dynastie, der – in Konkurrenz zu den Abbasidenkalifen in Bagdad stehend – 969 die Eroberung Ägyptens gelang. Kurz darauf wurde Kairo als neue Hauptstadt gegründet. Das Großreich, welches al-Mustanṣir erbte, umfasste neben Nordafrika auch Syrien-Palästina, den Westen der Arabischen Halbinsel sowie Sizilien – und sogar in Bagdad wurde der Kairoer Kalif 1058/59 kurzzeitig anerkannt. Im Verlauf von al-Mustanṣirs sehr langer Herrschaft setzte allerdings ein allgemeiner Niedergang des fatimidischen Staates ein, welcher letztlich zu dessen Bankrott und Zusammenbruch führte. Während Kairo in Anarchie versank und die kalifalen Schatzkammern geplündert wurden, sagten sich mehrere Außengebiete von den Fatimiden los, wobei Syrien an die türkischen Seldschuken fiel. Am Ende konnte die Krise nur überwunden werden, indem al-Mustanṣir den armenischen General Badr al-Ǧamālī um Hilfe bat und dieser als Regent die Macht im Reich übernahm. (Für eine ausführliche Darstellung der Herrschaftszeit al-Mustanṣirs siehe Heinz Halm: Die Kalifen von Kairo – Die Fatimiden in Ägypten 973–1074. München 2003, S. 348 ff.)

Auf der Jahrhundertmünze findet sich die Herrschernennung im Feld auf der Rückseite. Hier steht oben zunächst al-Mustanṣirs Geburtsname Maʿadd. In den drei Zeilen darunter folgen der Imam-Titel, das Teknonym Abū Tamīm („Vater des Tamīm“), der Thronname al-Mustanṣir bi-llāh („der Gott um Beistand bittet“) und schließlich noch der wichtige Titel amīr al-muʾminīn („Befehlshaber der Gläubigen“), welcher den Träger als Kalifen ausweist.

Arabische Goldmünzen heißen Dinare, ein Name, der sich von den römischen Denaren herleitet. Weil die Fatimiden Zugriff auf afrikanische Minen hatten, war Gold für sie leichter zugänglich als Silber. Gleichwohl gab es aber auch fatimidische Silbermünzen, welche jedoch bald nur noch einen geringen Edelmetallgehalt aufwiesen (Abb. 2) und deshalb „schwarze Dirhams“ genannt wurden. Æ-Münzen wurden im Fatimidenreich hingegen nicht geprägt; als Kleingeld fungierten stattdessen möglicherweise Glasmarken. Der klassische islamische Dinar besaß mit 4,25 g ein ähnliches Gewicht wie der byzantinische Solidus. Genau wie diese Goldmünze war der fatimidische Dinar im 11. Jahrhundert das verbreitetste Geld im Mittelmeerraum und auch darüber hinaus eine bedeutende Währung des transregionalen Handels. Der Grund hierfür war sein zuverlässig hoher Goldgehalt, wohingegen der Gewichtsstandard unter al-Mustanṣir bereits aufgegeben worden war.

Die Bezeichnung Dinar findet sich auch in der Revers-Umschrift, welche lautet: „Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes, dieser Dinar wurde geschlagen in Ägypten im Jahre 435.“ Das islamische Jahr 435 begann nach christlicher Zeitrechnung im Sommer 1043 und endete im Sommer 1044. Die Münzstättenbezeichnung „Ägypten“, auf Arabisch: Miṣr, bedeutet, dass der Dinar noch nicht in der Palaststadt Kairo (al-Qāhira) geprägt wurde, sondern in der unmittelbar südlich davon gelegenen, alten Landeshauptstadt al-Fusṭāṭ, welche mit Kairo zu einer Metropole zusammenwuchs.

Auf der Vorderseite der Münze ist im Feld das islamische Glaubensbekenntnis zu lesen: „Es gibt keinen Gott außer Gott allein, er hat keinen Teilhaber; Muḥammad ist der Gesandte Gottes“. Da es sich bei den Fatimiden um Schiiten, genauer gesagt: um Ismāʿīliten handelte, wurde noch (ganz oben:) ʿAlī / (ganz unten:) walī Allāh hinzugefügt, „ʿAlī ist der Freund Gottes“. Die Umschrift enthält traditionellerweise Vers 33 aus der 9. Koransure: „Muḥammad ist der Gesandte Gottes. Er schickte ihn mit der Rechtleitung und der Religion der Wahrheit, auf dass er ihr zum Sieg verhelfe über alle Religion, auch wenn es den Heiden zuwider ist.“ (Im Standardwerk zur fatimidischen Münzprägung, Norman Douglas Nicols: A Corpus of Fāṭimid Coins (Triest 2006), ist der Typ auf S. 297 als Nr. 2113 erfasst.)

In den 450er Jahren H. (1060er A.D.) in Ṣūr (Tyros, Libanon) geprägter Billon-Dirham al-Mustanṣirs mit den für fatimidische Münzen charakteristischen Kreisinschriften zwischen konzentrischen Ringen, Gew. 1,89 g (Sammlung islamischer Münzen der Univ. Tübingen, Inv.-Nr. FINT CA10 D6)


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