Vor 20 Jahren erschien der spektakuläre Bericht des Hannah-Arendt-Instituts zum Goldhandel der Dresdner Bank im Zweiten Weltkrieg (Leipzig 1999). Das Forschungsprojekt war zustande gekommen, nachdem Holocaust-Opfer in den USA der Bank wegen Kollaboration mit den Nationalsozialisten mit Schadensersatz in Milliardenhöhe drohten. Der ersten Veröffentlichung bei Kiepenheuer folgte ein vierbändiges Konvolut Die Dresdner Bank im Dritten Reich (München 2006) mit 2372 Seiten. Abgeschlossen wurde die Aufarbeitung der Bankgeschichte mit Die Dresdner Bank 1945–1957 – Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes von Ralf Ahrens (München 2007). Liest man den ersten Bericht über den Goldhandel, wird schnell klar, dass der Handel mit Raubgold nicht allein auf Initiative des Nazi-Regimes erfolgte. Die Dresdner Bank ergriff selbst die Initiative.

Vorstand der Dresdner Bank unter einem Hitler-Porträt (ca. 1937)
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Die größten Goldbestände, die das Deutsche Reich erbeutete, gehörten den Notenbanken Belgiens und der Niederlande. Von der Gesamtmenge des Raubgoldes aus den Zentralbanken besetzter Länder in Höhe von 548 Tonnen entfiel fast die Hälfte auf belgische und niederländische Reserven. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war die Dresdner Bank kaum am Handel mit diesem Gold beteiligt. Im Jahr 1941 stieg jedoch die Deutsche Bank in das Geschäft ein. Sie hatte erkannt, dass die Inflation in der neutralen Türkei einen steigenden Goldpreis auf dem offenen Markt in Istanbul zur Folge hatte. Mit dem Verkauf von Goldbeständen der Reichsbank auf diesem Markt erzielte sie im Jahr 1941 hohe Gewinne. Angesichts einer Marge von etwa 30 Prozent wollte die Dresdner Bank nicht abseits stehen: „Da die türkische Regierung die Einfuhr von Gold aus notenbankpolitischen Gründen nicht beschränkte, entwickelte sich die Türkei zu einer ,Goldwaschanlage‘ für völkerrechtswidrig beschlagnahmte Goldmünzen aus den besetzten Staaten Westeuropas, die sich ab 1942 auch in der Schweiz nicht ohne Herkunftsnachweis absetzen ließen. Erst der diplomatische und der militärische Druck der Alliierten auf die Türkei führte im Juni 1944 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Deutschland und damit zum Ende des Goldhandels.“ (Christoph Kopper: Handel mit Raubgold. In: Die Zeit, Ausgabe 10/99 vom 4. März 1999) Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Dresdner Bank insgesamt 5.762 Kilogramm Feingold für den Weiterverkauf auf dem türkischen Markt angekauft, überwiegend bei der Reichsbank.

Ehemaliges Hauptgebäude der Deutschen Orientbank in Istanbul
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Und so lief das Geschäft: Die Dresdner Bank kaufte das Gold im Kundenauftrag für Devisen von der Reichsbank und lieferte es an die Deutsche Orientbank, ein Tochterunternahmen mit Filiale in Istanbul. Die „Kunden“, die das Gold bei der Bank bestellten, waren getarnte Geheimagenten. Als Diplomaten getarnt, arbeiteten sie in diversen Botschaften und Konsulaten. Erfolgten die Lieferungen nach Istanbul zunächst mit Postpaketen, wurde das Gold ab Mai 1943 über Wien mit einem Kurierdienst des Auswärtigen Amtes angeliefert. Der Ablauf der Transaktionen wirkt dabei wie einem Kriminalroman entnommen: „Die Kuriere übernahmen das Gold in Wien, wohin es von Berlin bzw. Frankfurt a.M. (Degussa) verschickt worden war. Auf einer wöchentlich beflogenen Kurierstrecke der Deutschen Lufthansa, die nur mit amtlichem Auftrag in Anspruch genommen werden durfte, gelangten die Transporte nach Istanbul. Vom dortigen Flughafen Yesilköy wurde das Gold in das deutsche Generalkonsulat gebracht und dann der Deutschen Orientbank übergeben.“ (Johannes Bähr: Der Goldhandel der Dresdner Bank im Zweiten Weltkrieg. Leipzig 1999, S. 37) Die genannte Kurierstrecke ist damals einmal pro Woche in beide Richtungen mit Zwischenlandungen in Budapest und Sofia mit Maschinen vom Typ Junkers Ju 52 bedient worden. Der Telegrammverkehr zwischen der Devisenabteilung der Bank und der Istanbuler Filiale wurde mit Tarnbegriffen wie Midas für Gold, Ballen für Goldbarren, Binderstücke für Goldgulden, Maronen für goldene Francs-Stücke und Reguladohlen für Schweizer Franken geführt.
Für ein Kilogramm Feingold wurden in Istanbul zwischen 4.000 und 6.000 Türkische Pfund gezahlt. Ein Napoléon, also eine französische Goldmünze zu 20 Francs, war zwischen 30 und 40 Pfund wert. Seit Ende 1943 wurde fast nur noch gemünztes Gold nach Istanbul geschickt. Dabei handelte es sich überwiegend um holländische Gulden im Nennwert von 10 Gulden sowie französische und belgische Goldmünzen zu 20 Francs: „Der größte Teil des von der Dresdner Bank in der Türkei verkauften Goldes ging an private Haushalte. (…) Der Erwerb von Gold war zu dieser Zeit in der Türkei eine der wenigen Möglichkeiten, Vermögen vor der Inflation zu retten.“ (Ebenda, S. 87)
20 Francs (Belgien, 1914, 900er Gold, 6,45 Gramm, 21 mm)
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10 Gulden (Niederlande, 1933, 900er Gold, 6,73 Gramm, 22,5 mm)
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Sogar Nedim Ersun, der stellvertretende Generaldirektor der Türkischen Zentralbank, griff privat bei den Goldofferten der Deutschen zu. Im April 1944 kaufte er 250 Goldmünzen bei der Deutschen Bank, im Juli 1944 noch einmal Gold in Form von Münzen im Wert von 4.000 Francs. Nicht alle der abgesetzten Goldmünzen blieben in der Türkei. Viele sind nach kurzer Zeit weiterverkauft worden, etwa auf dem Balkan oder im Nahen Osten: „Ein großer Teil dieser Münzen wurde illegal ausgeführt. Sovereigns konnten in Palästina mit hohen Gewinnspannen abgesetzt werden. Mit dem Goldgeschäft der Dresdner Bank bestand dabei kein Zusammenhang, da die Bank in Istanbul kaum Sovereigns verkaufte. Anders verhielt es sich mit den Napoléon-Goldstücken, die von der Dresdner Bank in größeren Mengen auf dem Istanbuler Markt abgesetzt wurden: Napoléons gelangten im Rahmen eines schwunghaften Schmuggels von Istanbul nach Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Dort konnten die Goldmünzen mit hohen Gewinnen verkauft werden, weil die Bevölkerung das Vertrauen in das Papiergeld ihrer Länder verloren hatte.“ (Ebenda, S. 88) Etwa zehn Tonnen Gold haben die Deutsche Bank und die Dresdner Bank in jenen Jahren in Istanbul abgesetzt. Der Großteil war Beutegold, ein Teil auch jüdisches Opfergold.