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„Ich habe noch etwas Geld in meinem Turban.“ Als Entdeckungsreisender durch Marokko (1862–1864)


Gerhard Rohlfs als Mustafa-el-Tobib im Illustrirten Kalender (Jahrgang 20, 1865, Seite 95).

Bildquelle: Wikimedia, Röhrs

Der deutsche Afrikaforscher Gerhard Rohlfs (1831–1896) studierte Medizin. Im Jahre 1856 ging er als Mediziner nach Algerien. Als oberstem Arzt der marokkanischen Armee wurde es ihm einige Jahre später gestattet, inkognito eine Karawane nach Timbuktu zu begleiten. Unter dem Namen Mustafa-el-Tobib erreichte er die Oase Boanan, wo ihn der örtliche Scheich Thaleb Mohammed-ben-Abd-Allah in seinem Haus beherbergte: „Ich habe noch etwas Geld in meinem Turban eingenäht“, vertraute sich Mustafa seinem Freund an, „aber es sind Maria-Theresia-Taler. In Algerien kann ich nicht viel damit anfangen, dort gelten jetzt die Münzen der Frankistani. Gibt es eine Möglichkeit, die Taler in Franken zu wechseln?“ – „Das könnte ich selbst machen, ich betreibe ja nebenher auch ein wenig Handel. Wie viele Taler hast du denn?“ Mustafa rollte seinen Turban auf und brachte 60 Maria-Theresias zum Vorschein, in den Augen Thalebs eine gewaltige Summe. „So viel Reichtum hätte ich nicht bei dir vermutet. Wo hast du all das viele Geld her?“ – Von meinem Vater“, behauptete Mustafa, ich soll dafür Teppiche in Algier kaufen, dort sind sie um vieles billiger als bei uns in Rabat.“

Alle 60 Silbermünzen konnte Thaleb nicht gleich umtauschen. Es vergingen drei Tage, dann war Mustafa mit Franken versorgt. „Verstecke sie gleich wieder in deinem Turban“, riet Thaleb, der gute Freund. Wenn jemand merkt, was für ein reicher Mann du bist, sind gleich alle Räuber hinter dir her.“ (Hans-Otto Meissner: Durch die sengende Glut der Sahara. Die Abenteuer des Gerhard Rohlfs. Stuttgart 1967, S. 16 f.)

Reiseroute von Gerhard Rohlfs im nördlichen Afrika, beginnend 1862 im marokkanischen Tanger

Bildquelle: Silviae Blogspot

Vor 150 Jahren gab es in Marokko eine bimetallische Währung mit dem Bunduki im Wert eines Dukaten als Hauptgoldmünze. Hauptsilbermünze war der Mitkal. Dabei handelte es sich um eine großformatige Silbermünze im Wert eines Piasters, die in Dirhems, Mosonas und Falus aus Bronze geteilt wurde. Als staatliches Symbol tragen sie einen sechszackigen Stern auf der Vorderseite. Auf der Rückseite ist die Jahreszahl nach der islamischen Rechnung aufgeführt. Über die Zeit, in der sich Rohlfs als Arzt in den Armenvierteln verdingte, heißt es: „Mustafa erhielt für die Behandlungen nur zwei bis drei Mosonas, manchmal auch nur einen. Die Mosona entspricht etwa dem Wert eines französischen Centime damaliger Zeit, ungefähr sechs bis sieben Pfennig heutigen Wertes.“ (Ebenda, S. 31) Im 19. Jahrhundert wurden im Lande selbst aber fast nur noch kleine Nominale geprägt, also Dirhem, Mosonas und Falus. Der Grund dafür ist simpel. Der Einfluss europäischer Mächte hatte dazu geführt, dass immer mehr spanisches, französisches und österreichisches Großsilber kursierte. Unter dem Druck der in Algerien stehenden Franzosen führte Sultan Hassan I. im Jahr 1881 den Rial ein, eine Silbermünze im Wert des französischen Franc.

Konventionstaler (sog. Maria-Theresien-Taler, Österreich, Nachprägung aus der Zeit 1815–1830)

Bildquelle: Künker, Herbstauktionen 2014, Losnr. 2991

Zur Zeit von Rohlfs war der Maria-Theresia-Taler aber noch am weitesten verbreitet. Mit ihm wurde auch der Sklavenhandel abgewickelt, den der deutsche Afrikaforscher verabscheute. In seinem Hauptwerk Quer durch Afrika berichtete Rohlfs ausführlich über dieses Geschäft. In der Oase Draa hatte er alles über die Abläufe erfahren: „Von hier aus zogen die Karawanen acht Wochen weit bis zur sagenhaften Stadt Timbuktu am Südrand der Sahara, um sich mit den Menschenräubern zu treffen. Mit vielen tausend gefesselten Sklaven kehrten sie zurück nach Draa. Dabei musste man zehn Tage lang eine wasserlose Strecke überwinden, was jedesmal viele Opfer kostete. Trotzdem machten die Händler gute Geschäfte mit ihrer lebenden Ware, denn ein kräftiger Sklave kostete in Timbuktu nur 15 bis 20 Taler, während man in Fez und Meknes mindestens 100 Taler für ihn bekam. Hübsche junge Mädchen wurden zum Preis von etwa 30 Talern pro Stück eingekauft, aber im Norden Marokkos mit etwa 300 Talern bezahlt. So kam der Sklavenhändler auch dann auf seine Kosten, wenn unterwegs die Hälfte oder sogar noch mehr seiner Opfer zugrunde ging.“ (Ebenda, S. 12 f.) Als Dank für seine Dienste als Arzt erhielt Rohlfs von einem Sklavenhändler einen etwa siebenjährigen Jungen geschenkt. Er gab ihm den Namen Henry Noël. Zurück in Deutschland, ließ ihn der preußische König Wilhelm I. auf eigene Kosten erziehen.

Falus, Marokko, 1277–1287 nach Hidschra, 1861–1862 unserer Zeit, Bronze, 7 Gramm, 23 mm)

Bildquelle: Numista, Barrette

Marokko war eines der wenigen Länder in Nordafrika, das sich über lange Zeit seine Selbstständigkeit erhalten konnte. Rohlfs lernte Sidi Mohammed kennen, den Sultan, der abwechselnd in Féz, Meknes und Marrakesch residierte. An den Anblick der übergewichtigen Frauen in dessen Harem konnte er sich nur schwer gewöhnen: „Je fetter desto besser war das Schönheitsideal der Araber.“ (Ebenda, S. 36) Auch der Groß-Sherif Sidi-Abd-es-Ssalams, islamisches Oberhaupt des Landes, wurde ihm vorgestellt. Der heilige Mann schwelgte im Luxus. In seinem Palast standen französische Möbel, im Palastgarten fuhr eine deutsche Modelleisenbahn! Sein Reichtum war unbeschreiblich: „Der Groß-Scherif erhielt Geldgeschenke in jedem Dorf, das er mit seinem Besuch beehrte, mochten die Leute auch noch so arm sein. Beträge bis zu 1.000 Goldfranken wurden ihm ausgehändigt, wofür er lediglich seinen Segen spendete oder Kranke mit seiner Hand berührte. Wie gering dagegen die Freiheit eines Menschen bewertet wurde, geht aus einer Episode hervor, die Mustafa miterlebte. Da beklagte sich eine Familie beim Groß-Scherif, dass man ihnen einen besonders hellhäutigen Jungen gestohlen habe, um ihn gegen den Betrag von nur 5 Franken an durchziehende Sklavenhändler zu verkaufen. Angeblich gehörte der Menschenräuber zum Gefolge Sidi-Abd-es-Ssalams. Dieser aber konnte oder wollte nichts weiter tun. Allah hatte es so gefügt, man musste sich damit abfinden. Der verschwundene Junge war nicht das eigene Kind der Beraubten, sie hatte ihn auf einem Markt gekauft.“ (Ebenda, S. 58)

Marokkanischer Händler mit Töpfen voller Münzen und wertloser Souvenirs im heutigen Marrakesch

Bildquelle: Autor

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