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Michael Kurt Sonntag

Marathos: Wer ist die Verschleierte?


Marathos (phönikisch Amrit), südlich von Arados gelegen, war eine bedeutende Stadt im nördlichen Phönikien. Nach dem Sieg Alexanders des Großen über die Perser 333 v. Chr. bei Issos wurde sowohl Marathos als auch Arados an Alexander und seine Makedonen übergeben. Nach der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr. gelangte Marathos in den Besitz des Seleukidenreichs. Im 3. Jahrhundert v. Chr. gerieten Marathos und Arados jedoch in einen heftigen Streit darüber, wer die Peraia in Nordphönikien als Hegemon führen sollte. Hierbei eskalierte die Situation dermaßen, dass der seleukidische König Antiochos III. die „Streithähne“ 214 v. Chr. zur Ordnung rufen und zur Versöhnung zwingen musste. Da die Differenzen, Feindseligkeiten und Eifersüchteleien aber auch danach nicht wirklich bereinigt waren, versuchte Arados während der Herrschaft des Seleukidenkönigs Alexander I. Balas (150-145 v. Chr.), Marathos mit Hilfe korrupter königlicher Beamter zu besetzen. Marathos konnte diesen Plan jedoch vereiteln, indem es die Stadttore rechtzeitig schloss. Arados aber handelte nach dem Motto „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ und zerstörte Marathos schließlich doch noch Ende des 2. oder im 1. Jahrhundert v. Chr.

Zu den Silbermünzen, die Marathos zwischen 240 und 187/86 v. Chr. prägte, gehören Tetradrachmen, Drachmen, Tetrobole und Hemidrachmen attischen Standards. Darüber hinaus verausgabte die Stadt von 228/27 v. Chr. bis in die Römerzeit eine umfangreiche Bronzeemission. Datiert wurden sowohl die Silber- als auch die Bronzemünzen nach der Ära von Arados (ab 260 v. Chr). Außer der Tyche, Herakles, Zeus, Asklepios und Hermes erscheinen auf den Hemidrachmen und den Bronzemünzen aber auch noch die Figur eines an eine Säule gelehnten jungen Mannes und die verschleierte Büste einer nach rechts gewandten Frau.

Marathos (Phönikien): Bronzenominal (Jahr 98 Ära von Arados = 162/61 v. Chr.), Bronze, 9,76 g, Ø 22 mm. Münzstätte Marathos

Quelle: MA-Shops, Poinsignon Numismatique [F]

Bei dem an die Säule gelehnten jungen Mann handelt es sich um den lokalen Heros Marathos, der mit seiner Rechten ein Aphlaston (eine Schiffsheckzier) hoch hält und rechts vom Stadtnamen „mrth“ (in phönikischen Buchstaben) und links von der Jahreszahl (in phönikischen Zahlen) flankiert wird.

Aber wer ist die verschleierte Frau? Nun, wollte man nach der Art der Verschleierung urteilen, was die frühere Numismatik wohl auch tat, so könnte man sie für die ptolemäische Königin Berenike II. halten. Kein Wunder also, wenn bis heute die Abgebildete mit Berenike II. gleichsetzt wird. Ältere Münzkataloge und auch einige Auktionskataloge wollten sich indes nicht festlegen und sprachen bloß von einem „verschleierten Frauenkopf r[echts]“. Die jüngere bzw. neuere Numismatik um Oliver D. Hoover aber sieht in der Verschleierten keine Geringere als die phönikische Göttin Astarte.

Übrigens, nur auf den Bronzemünzen findet sich das Ethnikon in phönikischen Buchstaben, auf den Silbermünzen ist es in griechischen Buchstaben oder in einem griechischen Monogramm wiedergegeben. Die Datierung jedoch erfolgt auf allen Münzen in phönikischen Zahlen nach der Ära von Arados.

Goldener Armreif (8 cm Ø) aus Marathos (Amrit) mit Granulations-Verzierung (4. Jh. v. Chr.). Standort: Louvre-Museum, Paris

Quelle: Marie-Lan Nguyen, Wikipedia


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