Reine Ökonomie?
Mehr als 1500 Teilnehmer, über 1000 Vorträge, und das alles in 12 Sessions mit 128 Panels – das ist das beeindruckende Zahlenwerk des 19. Internationalen Archäologenkongresses der Associazone Internazionale di Archeologia Classica (AIAC), der vom 22. bis 26. Mai 2018 an den Universitäten Köln und Bonn, organisiert von Martin Bentz (Univ. Bonn) und Michael Heinzelmann (Univ. Köln), stattfand. Das Rahmenthema „Archaeology and Economy in the Ancient World“ brachte dabei einen der in der letzten Dekade boomenden Forschungsbereich ins Blickfeld. Denn die Antike Wirtschaftsgeschichte hat sich schon längst aus der Erstarrung der zuletzt lähmenden Jahrhundertdebatte um eine primitivistische oder modernistische Interpretation antiker ökonomischer Sachverhalte gelöst und gerade durch den Einbezug der materiellen Kultur neue Zugänge zum Thema ermöglicht. Die neuen Paradigmen lauten dabei Quantifizierung, Produktions- und Distributionsmechanismen und Ressourcen(verteilung), wie schon in den zehn Eröffnungsvorträgen (!) am ersten Tag in Köln deutlich wurde. Obschon man sich eine Einführung in Begrifflichkeiten und theoretische Fundierung (etwa zur Neuen Institutionenökonomie, derzeit bei Althistorikern des Feldes in aller Munde) hätte wünschen können, spiegelten die einzelnen Vorträge das hohe Potential, das archäologische Hinterlassenschaften, Methoden und Fragestellungen für Struktur, Dynamiken und Performanz antiker Ökonomien und deren Akteure bieten.
Auch die Numismatik fand schon in den Keynote-Lectures entsprechende Beachtung. Sitta von Reden betonte unter anderem, wie sehr das Zusammenspiel von Münzfunden und Fundkontexten unsere Sicht auf (nicht nur) wirtschaftliche Kreisläufe zu bereichern vermag, wie wichtig daher die Zusammenarbeit von Althistorikern, Numismatikern und Archäologen ist. François de Callataÿ machte in seinem Vortrag deutlich, daß sich Distributionsprozesse gerade auch in Münzen spiegeln, diese gegenüber vielen anderen Materialgattungen den Vorteil der relativ präzisen Einordnung hinsichtlich Produktionsdatum, Urheber, Ort usw. hätten. Er plädierte daher für ein Verknüpfen von Forschungen, die sich mit Distribution befassen, was beispielsweise durch umfassende Datenbanken gewährleistet werden könne.
Geld und Münzen spielten daher in einigen Panels eine Rolle, vor allem in der 5. Sektion zu „Distribution: Trade and Exchange, Monetarization, Credit, Networksm Transport, Infrastructure (e.g. Ports)”. So beschäftigte sich das Panel 5.11 mit dem Thema „Politics of Value: New Approaches to Money and the State“. Die Beitragenden fragten nach den komplexen Prozessen, die Geld im Zusammenhang mit der Herausbildung von Staatswesen entstehen ließen, u.a. nach der Verhältnis von staatlicher Autorität, Garantie des Geldwertes und dem Agieren von Eliten für oder auch gegen die Gemeinschaft. Derlei Fragen wurden auch intensiv im Panel 5.2 „Tolls and Ancient Economies“ behandelt, wo Steuern wie Zölle in ihrer Wechselwirkung mit staatlichem Handeln in wirtschaftlicher, administrativer, aber auch politischer Hinsicht betrachtet wurden. Insbesondere Aspekte der Ausbeutung und der Stimulanz mittels Abgaben standen dabei im Vordergrund.
Speziell mit Zahlungen für Soldaten und Söldner in der griechisch-römischen Welt beschäftigte sich das Panel 9.2 „Strapped for Cash: Needy Soldiers, Reluctant Authorities“. Als eine der wesentlichen Motivationen für Münzprägung wurden in den Vorträgen Themen wie Prägevolumina, Wanderung von Truppen und Geld, Märkten und Vertrauensmechanismen diskutiert.
Interessant waren die neuen Erkenntnisse, die im Panel 5.10 „Ingots of Metals“, in dem sich zeigte, wie sehr naturwissenschaftliche Analyse und altertumswissenschaftliche Methodik in Zusammenarbeit Erkenntnisse zu Produktion, Umlauf, wirtschaftlichen wie politischen Implikationen von Metallbarren(handel) befördern können. Die eigenen Sektionen zu griechischer wie römischer Numismatik 5.24/25) waren nicht thematisch abgestimmt und boten daher ganz unterschiedliche Zugänge zum Feld, obgleich auch hier Metall- und Hortanalysen sowie Prägepraxis im Vordergrund standen.
Alles in allem zeigte sich auf die AIAC, wie breit gefächert, damit spezialisiert und ausgefeilt mittlerweile die Methodik in den archäologischen Disziplinen insgesamt und auch in der Numismatik in Besonderem ist. In der schieren Größe wie in vielen Diskussionen spiegelte sich aber auch das Defizit einer solchen Ausdifferenzierung: Es ist kaum mehr möglich, in allen Fachdiskussionen auf dem neuesten Stand zu sein, und der Dialog zwischen verschiedenen Forschungsfeldern wird dadurch enorm erschwert, etwa wenn es um das Zusammenführen von verschiedenen Quellengattungen unter einer Fragestellung, etwa Handelswegen oder Distributionssteuerung, geht. Es bleibt zu wünschen, dass der Kongreß diesem Auseinanderdriften auch langfristig entgegenzuwirken hilft. Nicht zuletzt die vielen und rege genutzten Möglichkeiten zum Gespräch und Austausch zeigen, wie wichtig nach wie vor Kommunikation in und außerhalb der eigenen Fachdisziplin ist.
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