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Michael Kurt Sonntag

Dionysios I., Herakles und der Nemeische Löwe


Syrakus (Sizilien): Dionysios I. (405-367 v. Chr.), Oktobol/100 Litren (um 405-400 v. Chr.), Gold, 5,79 g, Ø (Höhe Vs.) 13 mm, Münzstätte Syrakus [Quelle: F. R. Künker, Auktion 257 (10. Oktober 2014), Los Nr. 8106]

Wer kennt sie nicht, die Sage von dem großen Helden Herakles? In seiner ersten Arbeit, die er für den mykenischen König Eurystheus zu erledigen hatte, musste er den Nemeischen Löwen töten, um dem König dessen Fell zu bringen. Weil dieser Löwe aber ein Ungeheuer war, welches mit keiner menschlichen Waffe verwundet werden konnte, blieb Herakles am Ende nichts anderes übrig, als seinen ganzen Mut zusammenzureißen und diesen kräftigen und wehrhaften Löwen mit bloßen Händen zu erwürgen. Diesem Untier nach seinem Tod das Fell abzuziehen, gelang ihm allerdings auch erst, nachdem er dafür die Krallen des Löwen selbst zu Hilfe genommen hatte.

Doch noch bevor die unteritalischen Poleis Herakleia und Tarent im frühen 4. Jh. v. Chr. die Erwürgung des Nemeischen Löwen durch Herakles auf ihre Silbermünzen prägten, hatte sich Dionysios I. (405–367 v. Chr.), der große Tyrann von Syrakus, dieser Thematik angenommen und Goldmünzen mit dieser Heldentat des Herakles prägen lassen. Sie zeigen auf ihren Rückseiten den nach rechts knienden Herakles, der gerade im Begriff ist, dem Nemeischen Löwen die Luft abzudrücken. Der Löwe stemmt sich im Todeskampf mit aller Kraft gegen den Würgegriff und versucht, sich aus der Umklammerung des Herakles zu lösen, doch der Griff des Helden ist eisern und unbezwingbar.

Aber warum wählte der syrakusanische Tyrann ausgerechnet dieses Bildmotiv für seine 100-Litren-Goldstücke? Wollte er damit nur den Mythos wach halten oder steckte da womöglich mehr dahinter? Nun, vergegenwärtigt man sich, dass Herakles der Legende nach Dorer war, ebenso wie die Syrakusaner und Dionysios, und dass der Löwe von den nordafrikanischen Karthagern, den ärgsten Feinden des Dionysios, unendlich verehrt wurde, dann könnte das Münzmotiv auch als Symbol für den Kampf des Dionysios mit den Karthagern um die Vorherrschaft auf Sizilien interpretiert werden. Jenkins sagt deshalb: „Der Rückseitentyp besteht in einer feinen Gruppe des Herakles im Kampf mit dem Nemeischen Löwen in einer straffen und kraftvollen Komposition – vielleicht um die Erinnerung an den langwierigen Kampf des Dionysios gegen Karthago wachzuhalten.“ (G. K. Jenkins, Harald Küthmann: Münzen der Griechen. München 1972, S. 193)

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