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Mitteldeutsche Brakteaten: „Hohle“ Pfennige mit hohem Wert


In der Münzgeschichte des Mittelalters nehmen die aus dünnem Silberblech mit einem Hammerschlag gefertigten Brakteaten eine Sonderstellung ein. Diese einseitig geprägten „hohlen“ Pfennige entwickelten sich ab Mitte des 12. Jahrhunderts zum gängigen Zahlungsmittel der mitteldeutschen Länder. Hauptgrund für die Abkehr von den bis dahin geltenden zweiseitig geprägten Denaren war wohl die Notwendigkeit einer Reduzierung der Herstellungskos­ten, denn durch das Aufblühen der Städte und Märkte wuchs der regionale Geldbedarf erheblich.

Da der Münzfuß (die in der Münze enthaltene Edelmetallmenge) der wesentlich dickeren Denare aber beibehalten wurde, vergrößerte sich bei den viel dünneren Brakteaten zwangsläufig der Münzdurchmesser und damit die für das Münzbild zur Verfügung stehende Prägefläche. Den Stempelschneidern standen dadurch neue Möglichkeiten für die Bildgestaltung offen, die zu einer Verbesserung der Stempelschneidekunst führten, die sich zu einer wahren Hochblüte entwickelte und neben den anderen romanischen Kunstformen (Architektur, Malerei etc.) einen eigenständigen Platz einnimmt.

Man geht davon aus, dass – nach ersten stilistisch noch ziemlich groben Exemplaren – das Gestalten der Münzbilder den Goldschmiedewerkstätten der Klöster und Fürstenhöfe übertragen wurde. Hieraus entstanden, wie z.B. in Halberstadt, regelrechte Stempelschneideschulen, aus denen auch andere Landesherren ausgebildete Meister in ihre Dienste übernahmen.

Auf der Grundlage der in dieser Zeit stark religiös beeinflussten romanischen Kunstrichtung unterlagen die Münzbilder bestimmten einheitlichen Grundregeln in ihrer symmetrischen und geometrischen Gestaltung. Über diese zu beachtenden Grundregeln hinaus hatten die Stempelschneider aber freie Hand, ihre künstlerischen Fähigkeiten und Phantasien auszuleben. Der daraus entstandene Wettstreit um möglichst attraktive Münzbilder förderte nicht nur den Reichtum in der künstlerischen Darstellung, sondern kam natürlich auch dem damaligen Repräsentationsbedürfnis der Landesherren entgegen. Viele der im 12. Jahrhundert geprägten Brakteaten stellen deshalb meisterhafte Denkmäler romanischer Kleinkunst dar.

Leider verblasste dieses künstlerische Wirken beim Schneiden der Stempel im 13. Jahrhundert immer mehr. Die Münzen wurden kleiner, leichter und unansehnlicher, bis die Münzbilder fast zur Unkenntlichkeit verschwammen. Im Laufe des 14. Jahrhunderts traten dann schließlich andere Münznominale an ihre Stelle.

Hauptgrund für die Vielfältigkeit der Brakteaten, von denen es Tausende verschiedene Typen gibt, war die jährliche oder sogar halbjährliche Verrufung und Münzerneuerung. Die Verrufung war eine steuerliche Maßnahme, die dazu diente, die Finanzen der Landesherren zu verbessern. Zu festgesetzten Terminen mussten die bis dahin geltenden Münzen gegen neue mit anderem Münzbild umgewechselt werden, natürlich mit einem gewinnbringenden Abschlag für den Landesherren, meist im Verhältnis 12:9. Die „verrufenen“ Münzen wurden wieder eingeschmolzen, woraus die heute meist große Seltenheit der erhalten gebliebenen Brakteaten resultiert.

aus MünzenRevue Ausgabe 9/2016

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