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Faszinierende Einblicke in die Münzprägung von Ephesos


Verschiedentlich wird Ephesos als das vom Hethiterkönig Mursilis II. im 14. Jahrhundert v.u.Z. eroberte Apasa im Land Arzawa angesehen“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 3, Sp. 1078). Dem „Marmor Parium“ (einer hellenistischen Marmorchronik aus Paros) zufolge wurde Ephesos jedoch erst um 1086/85 v.u.Z. von Ioniern gegründet.

Gründungsheld und Anführer der ionisch griechischen Kolonisten soll Androklos, der Sohn des Athenerkönigs Kodros, gewesen sein. Was Androklos und seine Ionier nach ihrer Landung im Kaystros-Golf und nach der gewaltsamen Vertreibung von Karern und Lelegern einnahmen, war jedoch nicht Ephesos. „Der Name des Platzes, den Androklos eroberte, war nun nicht, wie man erwarten möchte (und wie dies meist als gegeben angenommen wird) Ephesos, sondern KORESSOS“ (Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos, S. 21). Wie Koressos vor der ionischen Landnahme geheißen hat, wissen wir allerdings nicht. Alles was wir wissen, ist, daß Koressos ca. 1300 m (7 Stadien) vom heiligen Bezirk des Artemisions entfernt war und auch weit außerhalb von Apasa lag. Nach Karwiese dürfte das Artemision-Heiligtum im 10. Jahrhundert v.u.Z. an seinen jetzigen Platz verlegt worden sein. Die ältesten Funde dieses Heiligtums reichen bis ins 9. Jahrhundert v.u.Z. zurück. Im 8. Jh. v.u.Z. wurden die koressischen Könige von Oligarchen aus der Macht gedrängt, die vermutlich von lydischen Emigranten gestützt wurden. Von der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts v.u.Z. bis um 560 v.u.Z. herrschten die Tyrannen Pythagoras, Melas und Pindaros in der Stadt. Mit Melas, der ein Schwiegersohn des lydischen Königs Alyattes war und um 600 v.u.Z. regierte, hatten sich die Lyder in Koressos durchgesetzt. Nach Melas beherrschte dessen Sohn Pindaros die Stadt. Doch obwohl Pindaros Lyder und Neffe des ab 561 v.u.Z. in Lydien regierenden Königs Kroisos war, verlangte Kroisos nach seiner Machtübernahme auch von ihm, ebenso wie von den Tyrannen anderer Städte, die völlige Unterwerfung. Da Pindaros dieser Forderung nicht nachkam, belagerte Kroisos um 560 v.u.Z. die Koressos-Akropolis, brachte die Stadtmauern und einen Turm zum Einsturz und eroberte die Stadt. Danach „siedelte [er] die Griechen zum Artemision um, wodurch die griechisch-lydische Mischstadt Ephesos entstand“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 3, Sp. 1078). Laut Karwiese umschloß dieses Ephesos aber nicht das gesamte Artemi­sion-Heiligtum, sondern dürfte sich aus topografischen Gründen nur nördlich und östlich des Artemisions ausgedehnt haben. Was das Artemision betrifft, so hatte ihm Kroisos nach seiner Thronbesteigung enorme Reichtümer gestiftet und bald darauf auch den Neubau des marmornen Artemis-Tempels kräftig unterstützt. Herodot zufolge weihte er goldene Kühe und die meisten Säulen des riesigen Tempels.

Dieser ruhte auf insgesamt 117 (127) Säulen, die je ca. 18 m hoch waren, maß 55 m x 115 m, war von den größten Architekten und Künstlern seiner Zeit erbaut und ausgeschmückt worden und galt nach seiner Fertigstellung, die erst mehr als 100 Jahre später gefeiert wurde, als wahres Wunder. „Mit diesem neuen, solcherart aufs herrlichste ausgestatteten Tempel konnten Artemis, Priester und Asylon nun weithin noch besser für sich <werben> und aller Welt demonstrieren, wie ausgezeichnet es um den Ort stand, und wie sicher all die Schätze ruhen mußten, die hier deponiert waren. Je reicher und großartiger das Artemision sich nach außen darstellte, umso mehr Leute ließen sich zu Dedikationen und Depositen anlocken“ (Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos, S. 35). Doch nachdem Kroisos seinen Feldzug gegen den Perserkönig Kyros verloren hatte (546 bzw. 541 v.u.Z.), eroberte der medische General Harpagos Ephesos und die übrigen ionischen Städte. Die siegreichen Perser setzten in Ephesos Tyrannen wie Komas und Athenagoras ein. Während des Aufstands der ionischen Städte gegen die Perser (499–497 v.u.Z.) blieb Ephesos allerdings propersisch. Da die Griechen die Schlachten bei Marathon (490 v.u.Z.), Salamis (480 v.u.Z.) Plataiai und Mykale (479 v.u.Z.) gewonnen und die Perser wieder nach Osten abgedrängt hatten, wurde auch Ephesos von der persischen Fremdherrschaft befreit und 465 v.u.Z. Mitglied des Attisch-Delischen Seebunds.

Während des Peloponnesischen Krieges (431–404 v.u.Z.) stand die Stadt bis ca. 424 v.u.Z. auf der Seite Athens, um 412 v.u.Z. trat sie auf die Seite Spartas über und war ab 407 v.u.Z. Hauptquartier des spartanischen Admirals Lysandros. Auch hatte die ephesische Flotte Anteil an der Vernichtung der attischen Flotte bei Aigospotamoi 405 v.u.Z. Doch für Sparta und Ephesos kehrte auch nach dem Sieg der Spartaner über Athen kein endgültiger Friede ein. 404 v.u.Z. wurde Artaxerxes II. in Persepolis zum neuen Großkönig des Perserreichs gekrönt. Weil sein Bruder, Kyros der Jüngere – er war Satrap von Lydien, Großphrygien und Kappadokien und oberster Befehlshaber in Kleinasien – mit dieser Krönung aber nicht einverstanden war, bereitete er mit Hilfe Spartas, der ionischen Griechen und anderer griechischer Söldner ein militärisches Unternehmen gegen Artaxerxes vor. Dieses scheiterte allerdings, da Kyros 401 v.u.Z. in der Schlacht bei Kunaxa fiel. Daraufhin forderte der wiederinstallierte Großsatrap Tissaphernes, der Sieger von Kunaxa, die Unterwerfung aller Küstenstädte.

Sparta bot Tissaphernes die Stirn und startete ab 400/399 v.u.Z. von seiner Operationsbasis in Ephesos aus einen Krieg gegen die Perser. Zwar siegten die Spartaner bis 395 v.u.Z. in mehreren Schlachten, doch wurde die spartanische Flotte von der persischen unter der Führung des Atheners Konon 394 v.u.Z. bei Knidos vernichtend geschlagen und die spartanischen Harmosten anschließend von Konon und dem persischen Satrapen Pharnabazos aus den Küstenstädten, also auch aus Ephesos, vertrieben. 389/88 v.u.Z. geriet Ephesos wieder unter spartanischen Einfluß, doch war dies nur von kurzer Dauer. Denn bereits 387/86 v.u.Z. schlossen die Spartaner unter Antalkidas und der persische Großkönig Artaxerxes II. Frieden. In diesem Frieden, der auch als „Königsfrieden“ oder „Antalkidas-Frieden“ bezeichnet wird, wurde Sparta die Hegemonie über Griechenland zugebilligt und im Gegenzug die griechischen Städte Kleinasiens der persischen Herrschaft unterstellt. So wurde auch Ephesos erneut persisch und blieb es, bis Alexander der Große es 334 v.u.Z. von den Persern befreite.

Großes antikes Theater von Ephesos. [Foto: Ingo Mehling, Wikipedia]

Als Alexander im besagten Jahr Ephesos erreichte, führte er die Demokratie ein, verfügte, daß man die Steuern, die man bis dahin an die Perser entrichtet hatte, nun an das Artemision abführen sollte und richtete der Artemis ein großes Opferfest aus. Darüber hinaus veranstaltete er einen Umzug mit seinem Heer und bot den Ephesiern an, „die bisherigen und künftigen Kosten für den Wiederaufbau des Artemis-Tempels zu übernehmen“ (Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos, S. 60). Der Artemis-Tempel war nämlich um den 1. Juli des Jahres 356 v.u.Z. abgebrannt. Ob Herostratos den Tempel eigenhändig anzündete, um so weltweiten unsterblichen Ruhm zu erlangen, wie überliefert, oder ob das Feuer durch einen Blitzschlag hervorgerufen wurde, wie Aristoles schrieb, läßt sich nicht mehr eindeutig klären. Archäologen wie Karwiese bezweifeln jedenfalls, daß der Brand von Herostratos allein gelegt werden konnte, zumal Brandstiftung in diesem Fall keine einfache Sache gewesen sei und jener sein Motiv auch erst unter der Folter genannt habe. Die Ephesier erklärten die Ursache für den Tempelbrand später damit, daß die Göttin Artemis ihren Tempel in jener Nacht schutzlos zurückgelassen habe, da sie der Königin Olympias im fernen Makedonien bei der Geburt Alexanders des Großen hilfreich zur Seite gestanden sei. Das Angebot Alexanders, den Wiederaufbau des Artemis-Tempels zu finanzieren, lehnten die Ephesier, die sich laut Karwiese nicht an den Westen binden wollten, jedoch diplomatisch ab. Dennoch gelang es ihnen, einen noch imposanteren und noch prächtigeren Tempel zu errichten, als es der alte bereits gewesen war, was darauf hinweist, daß es der Stadt auch schon unter den Persern ökonomisch recht gut gegangen sein muß, zumal mit dem Wiederaufbau schon bald nach 356 v.u.Z. begonnen worden war.

Kultstatue der Artemis von Ephesos, römische Kopie aus dem 1. Jahrhundert , Standort, Ephesos-Museum, Türkei. [Foto: Lutz Langer, Wikipedia]

Der vollständig aus Marmor erbaute Tempel, an dem erneut die berühmtesten Bildhauer und Künstler ihrer Zeit wirkten (so z. B. Skopas, Praxiteles und Apelles) wurde vermutlich zwischen 320 und 310 v.u.Z. fertiggestellt. „Da die Liste der Weltwunder erstmals im 2. Jahrhundert v.u.Z. erstellt wurde, kann der darin aufgeführte Artemis-Tempel nur der zur Zeit Alexanders gebaute Tempel sein“ (Kunze [Hrsg.], Die Sieben Weltwunder der Antike, S. 86f.). Um 319 v.u.Z. brachte der Diadoche Antigonos Monophthalmos Ephesos in seinen Besitz. Weil Antigonos’ Ehrgeiz aber schon bald auf die Übernahme des gesamten ehemaligen Alexander-Reichs abzielte und er zudem auch einer der mächtigsten und reichsten Diadochen war, bildeten seine Rivalen, die Diadochen und Satrapen Ptolemaios, Kassandros, Seleukos und Lysimachos 315 v.u.Z. eine Koalition gegen ihn und seinen Sohn Demetrios Poliorketes und versuchten, die beiden in der Folge in mehreren Koalitionskriegen aus der Macht zu drängen. 302 v.u.Z. ließ Lysimachos, der im Auftrag der Koalition die Küstenstädte Kleinasiens unter seine Kontrolle bringen sollte, Ephesos von seinem General Prepelaos erobern.

Doch bereits 301 v.u.Z. ergab sich die lysimachische Besatzung von Ephesos dem Demetrios Poliorketes, der die Stadt einnahm und sich nach der verlorenen Schlacht von Ipsos (301 v.u.Z.) dorthin zurückzog. Um 295/94 v.u.Z. gelang es Lysimachos, Demetrios Poliorketes aus dem westlichen Kleinasien weitgehend zu verdrängen und Ephesos in seinen Besitz zu bringen. Weil Ephesos zunehmend verlandete, verlegte er die Stadt ca. 2 km westlich des Artemisions, bezog Lebedos und Kolophon mit ein, ließ einen neuen Hafen anlegen und diese größere neue Stadt mit einer 8 km langen und 6 m hohen Stadtmauer umgeben und zu Ehren seiner Gemahlin Arsinoe in Arsioneia umbenennen. Nachdem Lysimachos 281 v.u.Z. in der Schlacht von Kurupedion gefallen war, wurde Arsinoeia dem Sohn Seleukos I. Nikator, Antiochos I. Soter, unterstellt und erneut Ephesos genannt. Um 260 v.u.Z. nahm Ptolemaios II. Philadelphos Ephesos ein und übergab die Stadt seinem Adoptivsohn Ptolemaios.

Zwei Jahre später besiegte Antiochos II. Theos den erwähnten Adoptivsohn in einer Seeschlacht und eroberte Ephesos im Handstreich. Von da an blieb die Stadt im seleukidischen Besitz bis zum Tode Antiochos II. (246 v.u.Z.). Noch im selben Jahr verlor Antiochos’ Sohn, Seleukos II. Kallinikos, Ephesos an Ptolemaios III. Euergetes. Die lange ptolemäische Herrschaft, welche die Stadt hiernach erlebte, wurde erst 197/96 v.u.Z. durch den Seleukiden Antiochos III. beendet. Nach dem Sieg der Römer über Antiochos III. bei Magnesia am Sipylos (190 v.u.Z.) und dem anschließenden Friedensvertrag von Apameia (188 v.u.Z.) wurde Ephesos als Militärbezirk (strategia) Bestandteil des Pergamenischen Reiches unter Eumenes II., Attalos II. und Attalos III. Zu einem abrupten Ende kam die griechische Herrschaft in Ephesos im Jahr 133 v.u.Z., als der kinderlose Attalos III. das Pergamenische Reich testamentarisch den Römern vermachte, die daraus ihre erste Provinz auf asiatischem Boden, die „provincia Asia“, schufen und Ephesos anschließend zur „freien und [mit Rom] verbündeten Stadt“ (civitas libera atque foederata) erklärten. Doch das ist eine andere Geschichte.

Die Münzen von Ephesos

Zu den ältesten und seltensten Münzen von Ephesos zählen einige Numismatiker die sogenannten Phanes-Statere aus Elektron (Abb. 1) . Abb. 1: Phanes-Stater (um 625–600 v.u.Z. oder um 600 v.u.Z. oder vor 560 v.u.Z.), 14,14 g, Maße ca. 15 mm x 21,5 mm [Quelle: Gorny & Mosch, Auktion 185 (2010), Nr. 146]. Von diesen sind bis heute nur vier Exemplare auf uns gekommen (eines befindet sich im British Museum, ein zweites in der Münzensammlung der Deutschen Bundesbank und zwei weitere in Privatbesitz). Ihren Namen erhielten sie von der griechischen Umschrift, die sich über dem äsenden Damhirsch auf der Münzvorderseite befindet, retrograd d. h. rückläufig ist, bzw. von rechts nach links verläuft und da lautet: ΦΑΝΟΣ ΕΜΙ ΣΗΜΑ („Ich bin das Zeichen/das Siegel des/der Phanes“). Aber wer war dieser Phanes, der für die erwähnten Statere die Gewähr übernahm? Nun, sollte Phanes eine Person gewesen sein, handelt es sich vielleicht um einen reichen Privatmann oder Bankier, der für den Wert der Münzen garantierte oder um jemanden, der wie ein Magistrat die Verantwortung für die Prägung der Münzen hatte. Da in großen Tempelbezirken wie dem Artemision von Ephesos in der Antike aber auch Bankgeschäfte getätigt und größere Bestände an Edelmetall aufbewahrt wurden, könnten diese Statere auch im Auftrag des Tempels entstanden sein.

In dem Fall stünde das Wort Phanes, das im Griechischen auch „der/die Leuchtende“ bedeutet, allerdings nicht für eine Person, sondern für die „leuchtende“ Göttin Artemis, zumal der Artemis-Tempel das „Haus“ der Göttin war. Eine Interpreta­tion, die durchaus plausibel ist, wenn man bedenkt, daß der Damhirsch, schon seit mythischen Zeiten von außerordentlicher Bedeutung für Artemis war. „Im Kult der Artemis ... ist der Hirsch sowohl ihr Begleiter als auch ihr Reittier ... und Jagdopfer (vgl. ihren Beinamen elaphoktónos, <Hirschtöterin> ...)“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 5, Sp. 614). Münzlegende und Hirsch stünden damit symbolisch für Artemis. Die Zuweisung dieser Elektron-Statere nach Ephesos ist jedoch nach wie vor umstritten. So sind Numismatiker wie z.B. David R. Sear und Colin M. Kraay der Ansicht, diese Statere gehörten nicht nach Ephesos, sondern in das karische Halikarnassos, zumal Herodot einen gewissen Söldner von Halikarnassos mit Namen Phanes erwähnte, der im Dienst des ägyptischen Königs Amasis gestanden habe. Weil die Münze allerdings viele Jahrzehnte älter sei, als der von Herodot erwähnte Phanes, handle es sich bei dem Phanes von der Münze vermutlich um den Großvater des besagten Söldners, der in Halikarnassos Dynast gewesen sein könnte. Was die Prägezeit der Phanes-Statere angeht, herrscht ebenfalls Uneinigkeit. Während ein Teil der Fachleute diese ins letzte Viertel des 7. Jahrhunderts v.u.Z. datiert, verlegt sie ein anderer, auch David R. Sear, um 600 v.u.Z. und ein dritter sogar in die Zeit vor 560 v.u.Z.

Der Numismatiker Stefan Karwiese wiederum erwähnt als älteste Prägungen von Ephesos, genauer gesagt von Koressos, winzige Elektron-Münzen vom sogenannten Löwenpranken-Typus und datiert diese in die Zeit des lydischen Tyrannen Melas, der ein Schwiegersohn des Lyderkönigs Alyattes war und um 600 v.u.Z. in Koressos herrschte. Die ersten echten ephesischen Gepräge, so Karwiese, tauchten erst während der Regierungszeit des lydischen Königs Kroisos auf, der Koressos nach erfolgreicher Belagerung auflöste und die Einwohner (Ionier und Lyder) nach Ephesos in die Nähe des Artemision-Heiligtums umsiedelte. Diese ersten Münzen der neuen Siedlung Ephesos bestanden zwar ebenfalls aus Elektron, doch trugen sie eine Biene in Draufsicht auf der Vorderseite und zwei vertiefte Quadrate (quadrata incusa) auf der Rückseite. Später kamen auch kleine Silbermünzen gleichen Typs hinzu. Nach 546 v.u.Z. zeigte sich auf den Rückseiten einer silbernen Kleinnominalserie auch ein Adlerkopf im vertieften Quadrat, den Karwiese als Ausdruck persischer Oberhoheit interpretiert. „Auf den ephesischen Münzen zeigte er [gemeint ist der Adlerkopf] also die persische Oberhoheit an, anscheinend aber nur in kleinen (auf die Tyrannen beschränkten?) Emissionen, da gleichzeitig umfangreichere Prägungen ohne Adler vorgenommen wurden“ (Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos, S. 46).

Genaugenommen veränderte man das Erscheinungsbild der ephesischen Münzen bis zum Ende des 5. Jahrhunderts v.u.Z. nicht mehr, wenngleich die in Draufsicht dargestellte Biene stilistisch auch weiterentwickelt und im 5. Jahrhunderts v.u.Z. zunächst von der Umschrift „ΕΦΕΣΙΟΝ“ umgeben und dann vom Stadtkürzel „Ε – Φ“ flankiert wurde und sich das einfache Incusum der Rückseite zu einem viergeteilten wandelte (Abb. 2.1, Abb. 2.2, Abb. 2.3 und Abb. 2.4).Abb. 2.1: Drachme (um 500–480 v.u.Z.), 3,30 g, Ø (Höhe Vs.) 12 mm [Quelle: Künker, Auktion 204 (12. März 2012), Nr. 289]. Abb. 2.2: Tetradrachmon (um 480–450 v.u.Z.), 13,26 g, Ø (Höhe Vs.) um 20 mm [Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 406 (25. April 2012), Nr. 120].Abb. 2.3: Drachme (um 450–420 v.u.Z.), 3,19 g, Ø (Höhe Vs.) 13 mm [Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 398 (28.–30. April 2009), Nr. 262].Abb. 2.4: Didrachmon (um 450–420 v.u.Z.), 7,40 g, Ø (Höhe Vs.) 17,5 mm [Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 398 (28.–30. April 2009), Nr. 261]. Aber warum trugen die ephesischen Münzen überhaupt eine Biene, was hatte es damit auf sich? Nun, zum einen war diese ebenso wie der Hirsch ein heiliges Tier der Göttin Artemis und zum anderen hatte die neue Siedlung Ephesos die Biene zu ihrem Symbol erwählt. In der Antike und im antiken Mythos galten Bienen nämlich als vorbildlich. „Den sozial und arbeitsteilig in einem Staat ... lebenden Bienen wurden positive menschliche Eigenschaften wie Fleiß, Tapferkeit, Keuschheit, Eintracht, Reinlichkeit, Verstand und Kunstsinn beigelegt“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 2, Sp. 649). So daß man sich auch nicht wundern braucht, wenn die jungfräulichen Priesterinnen der Artemis „Honigbienen“ (ΜΕΛΙΣΣΑΙ) genannt wurden. Und doch war die Biene im ursprünglichen Artemis-Kult nicht vertreten, sondern entstammte dem Kult der hethitischen Natur- und Muttergöttin Kubaba (in Ionien auch Kybebe genannt). In den Kult der Artemis wurde sie vermutlich erst im 7. Jahrhundert v.u.Z. aufgenommen, als die Ionier die Eigenschaften und die heiligen Tiere der Kubaba zum Teil auf Artemis übertrugen.

Wie eine antike Legende berichtet, soll der Vegetationsgott Telipinu eines Tages verschwunden und bald danach alle Blumen und Pflanzen eingegangen sein. Da Menschen und Göttern plötzlich große Not bevorstand, sandte die Natur- und Muttergöttin Kubaba einen Bienenschwarm aus, der ihn suchen sollte. Dieser fand ihn schließlich in einem Hain schlafend, weckte ihn mit seinen Stichen und der Vegetationsgott kehrte zurück und mit ihm alles pflanzliche Leben. Einer anderen Version zufolge war es nicht Kubaba, sondern die hethitische Mutter- und Geburtsgöttin Channachanna, die ihre Botin, eine Biene aussandte, um Telipinu zu suchen und zurückzuholen. Doch auch in diesem Fall war die Biene erfolgreich und Gott und Vegetation kehrten wieder. Berücksichtigt man, daß „Bienen-Honig ein seit prähistorischer Zeit überall in der antiken Welt verbreitetes Nahrungsmittel [war]“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 5, Sp. 710) und daß die Bienen stets auf Blumen oder blühenden Pflanzen gesehen wurden, so wird vielleicht nachvollziehbar, weshalb die Biene im Mythos im engsten Umfeld von Natur-, Mutter- und Vegetationsgottheiten „landete“ und zu deren Botin oder heiligem Tier wurde. Um 400 v.u.Z., so Karwiese, startete Ephesos eine umfangreiche Tetradrachmen-Serie, deren Münzen auf der Vorderseite zwar weiterhin das Bildmotiv der in Aufsicht dargestellten Biene aufweisen, auf der Rückseite aber statt des viergeteilten vertieften Quadrats eine Damhirschprotome mit zurückgewandtem Kopf und eine Dattelpalme mit zwei Fruchtständen zeigen (Abb. 3.1, Abb. 3.2 und Abb. 3.3).Daß der Damhirsch als heiliges Tier der Artemis die Rückseite ziert, ist verständlich, aber weshalb steht links von ihm ausgerechnet eine Dattelpalme? Nun, die Erklärung hierzu liefert die griechische Mythologie.

Dieser zufolge war es eine Dattelpalme auf Delos, unter der die von Zeus schwangere Titanin Leto ihre göttlichen Zwillinge Apollon und Artemis zur Welt brachte. „Gelehnt an eine Palme und den Ölbaum der Pallas, brachte Latona [griechisch Leto] dort Zwillinge zur Welt, ...“ (Ovid, Metamorphosen, 6, 335ff.). Hirschprotome und Palme symbolisieren folglich Artemis und ihre Geburt. Eine völlig andere Interpretation des Hirsches und der Palme findet sich bei Karwiese. So sieht er in der Palme das zu einem Baum verdichtete Symbol der Artemis-Ephesia-Kultstatue und in der Hirschprotome das Symbol eines kultisch-festlichen Trinkhorns aus Edelmetall (das aus dem Orient stammende Rhyton) und sagt wörtlich: „Danach steht also eher zu vermuten, daß die Hirschprotome den persischen Kulteinfluß widerspiegelt, genauso wie auch die Dattelpalme, deren östlicher Name tama(s) wegen seines Anklangs an den der Artemis hier sogar die mythische Brücke zur baumartigen Ephesia gebildet haben könnte“ (Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos, S. 56). Doch auch die Biene der Münzvorderseite steht nicht allein für Ephesos, wenngleich sie zusammen mit den Buchstabenkürzeln „Φ“ und „Ε“ auch das Stadtsymbol darstellt. Vergegenwärtigt man sich nämlich, daß sowohl die Priesterinnen der Artemis als auch ihre Göttin keusch lebten, dann wird klar, die Biene verweist ebenso auf Artemis und ihren Kult.

Betrachtet man die Münzen aus Abb. 3 etwas eingehender, so fällt auf, daß die Gestaltung der Hirschprotome und der Dattelpalme kaum verändert, während die Biene im Verlauf des 4. Jahrhunderts mehrmals umgestaltet wurde. So zeigt die erste Biene einen langen Hinterleib und geschwungene Flügel, die recht eng an den Körper angelegt sind. Bei der zweiten ist der Hinterleib deutlich kürzer und die Flügel gerade. Auch sind diese soweit geöffnet, daß man meinen könnte, die Biene wolle bald abheben. Die dritte Biene wiederum hat erneut gerade Flügel, aber einen ähnlich langen Hinterleib wie die erste. Zudem sind ihre Flügel noch enger an den Körper angelegt, als die der ersten. Bei den jeweiligen Namen, die auf den einzelnen Tetradrachmen rechts von der Hirschprotome stehen, handelt es sich der numismatischen Literatur zufolge um sogenannte „Beamtennamen“, mit Hilfe derer die genaue Prägeperiode der einzelnen Tetradrachmen ermittelt werden kann. Da die gesamte Emission recht umfangreich war und über einen Zeitraum von gut 100 Jahren erfolgte, sind fast 200 unterschiedliche Beamtennamen bekannt geworden. Bei den kleineren Silbernominalen, z. B. Oktobol, Drachme, Diobol und Trihemiobol, die während des 4. Jahrhunderts ebenfalls ausgebracht wurden, sehen wir auf der Vorderseite die bereits beschriebene Biene, doch zeigen die Rückseiten nur noch beim Oktobol und der Drachme eine Hirschprotome nebst Dattelpalme. Auf dem Diobol dagegen erblicken wir zwei einander zugewandte Hirschköpfe und auf dem Trihemiobol nur eine Hirschprotome ohne Palme (Abb. 4). Abb. 4: Diobol (um 380–340 v.u.Z.), 0,95 g, Ø (Höhe Vs.) 9 mm [Münzen & Medaillen GmbH, Auktion 32 (2010), Nr. 123].Ab 301/300 v.u.Z. wurden jedoch keine silbernen Bienen-Hirsch-Münzen mehr geprägt, da Demetrios Poliorketes, der jetzt über Ephesos herrschte, seine eigenen Münzen (Tetradrachmen, Drachmen und Hemidrachmen) in der Stadt prägen ließ.

Nachdem die Stadt 294 v.u.Z. in den Besitz des Lysimachos gelangte, waren Oktobole mit dem Kopf der Artemis auf der Vorderseite und einem Bogen und Köcher sowie dem Stadtkürzel „ΕΦΕ“ auf der Rückseite die einzigen städtischen Silbermünzen, die Ephesos bis 290 v.u.Z. ausbrachte. Darüber hinaus prägte es die Reichsmünzen des Lysimachos – insbesondere Drachmen; letztere wurden von 290 bis 287 v.u.Z. auch in Arsinoeia geschlagen. Zusätzlich prägte man in Arsinoeia zwischen 290 und 281 v.u.Z. Silber- und Bronzmünzen mit dem Bildnis der Arsinoe, der Gemahlin des Lysimachos, und dem Stadtkürzel ΑΡΣΙ (Abb. 5.1 und Abb. 5.2). Abb. 5.1: Oktobol (290–281 v.u.Z.), 5,54 g, Ø (Höhe Vs.) um 19 mm, Münzstätte Arsinoeia [Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 405 (2. November 2011), Nr. 2279]. Abb. 5.2: Kleinbronze (290–281 v.u.Z.), 3,08 g, Ø (Höhe Vs.) 16,32 mm, Münzstätte Arsinoeia [Quelle: Antike Numismatik Dr. Brandt, MA-Shops (2008)].Dabei wurde das Porträt der Göttin Artemis, das zwischen 294 und 290 v.u.Z. die silbernen Oktobole von Ephesos geziert hatte, durch das Porträt der Arsinoe ersetzt, die damit ihre Vergöttlichung einleitete. „Man könnte deshalb erwägen, daß die Königin als neue Artemis in Erscheinung trat. Wie weit die Identifikation jedoch tatsächlich ging, das ist leider unbekannt“ (Pfrommer, Alexandria, S. 59). Nach Lysimachos’ Tod (281 v.u.Z.) beendete man die Münzprägung mit dem Porträt der Arsinoe und dem Stadtkürzel ΑΡΣΙ. Von 280 bis 258 bzw. 202 v.u.Z. emittierte Ephesos dann erneut städtische Münzen (Oktobole, Didrachmen und Bronzmünzen), die entweder Artemis und die Hirschprotome oder die Biene und den Hirsch zeigen und das Stadtkürzel „Ε – Φ“ tragen (Abb. 6.1 und Abb. 6.2) Abb. 6.1: Oktobol (um 280–258 v.u.Z.), 5,05 g, Ø (Höhe Vs.) 18 mm [Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 401 (3. November 2010), Nr. 363]. Abb. 6.2: Kleinbronze (um 280–258 v.u.Z.), 4,67 g, Ø (Höhe Vs.) 17 mm [Quelle: Gorny & Mosch, Auktion 204 (März 2012), Nr. 1508].Und auch zwischen 202 und 133 v.u.Z. gab Ephesos silberne Drachmen und Bronzemünzen mit der Biene auf der Vorderseite und dem Hirsch vor Dattelpalme auf der Rückseite heraus (Abb. 7). Abb. 7: Drachme (202–150 v.u.Z.), 4,11 g, Ø (Höhe Vs.) 18 mm [Münzen & Medaillen GmbH, Auktion 32 (2010), Nr. 126].Interessant und bemerkenswert ist, daß man im phönikischen Arados zur selben Zeit ebenfalls silberne Drachmen prägte, die auf der Vorderseite eine Biene in Aufsicht und auf der Rückseite einen Hirsch vor Dattelpalme trugen.

David R. Sear vermutet deshalb, daß es zwischen beiden Städten eine Form von Währungsunion („monetary alliance“) gegeben haben könnte. Weil Ephesos von 188 bis 133 v.u.Z. unter der Herrschaft der pergamenischen Könige Eumenes II., Attalos II. und Attalos III. stand, setzten sich die Silbermünzen, die man während dieser letzten griechischen Periode in der Stadt schlug, aber nicht nur aus ephesischen Drachmen, sondern auch aus sogenannten Kistophoren zusammen. Die Kistophoren waren Silbermünzen, die mit ca. 12,6 g Gewicht den Gegenwert von 3 attischen Drachmen besaßen und ihren Namen von der auf der Vorderseite abgebildeten kista mystika erhielten, aus der eine Schlange hervorkriecht.

Auf der Rückseite trugen sie eine Bogentasche mit Bogen zwischen zwei miteinander verschlungenen Schlangen (Abb. 8). Abb. 8: Kistophor von Ephesos (160–150 v.u.Z.), 12,40 g, Hdm. ca. 28 mm (die Münze weist auf ihrer Rückseite das Stadtkürzel ΕΦΕ und die Kultstatue der Artemis als Beizeichen auf); [Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 395 (7.–9. Mai 2008), Nr. 157].Die kista mystika wiederum war ein geflochtener Deckelkorb und Bestandteil des Dionysos-Kults. Deshalb wurde sie auch stets von einem Efeukranz umgeben, dargestellt. Die Kistopheren, die im übrigen auch von Pergamon, Sardeis, Tralleis, Smyrna, Apameia, Laodikeia u. a. zum pergamenischen Reich gehörenden Städten geprägt wurden, waren motivgleich und nur durch Stadtkürzel und Beizeichen voneinander zu unterscheiden. Numismatiker vermuten deshalb, daß die kistophorenprägenden Städte in einer Münzliga organisiert gewesen sein müssen, zumal diese Münzen während des 2. Jahrhunderts v.u.Z. das wichtigste Zahlungsmittel für den Handel in Kleinasien und Griechenland waren. Michael Kurt SonntagLiteratur: Peter R. Franke, Max Hirmer: Die Griechische Münze, 1964; Stefan Karwiese: Die Münzprägung von Ephesos, I. Die Anfänge: Die ältesten Prägungen und der Beginn der Münzprägung überhaupt, 1995; Stefan Karwiese: Groß ist die Artemis von Ephesos: die Geschichte einer der großen Städte der Antike, 1995; Collin M. Kraay: Archaic and Classical Greek Coins, 1976; David R. Sear: Greek Coins and their Values, vol. 2, Asia and North Africa, 1979 (Nachdruck 1998); Otto Mørkholm: Early Hellenistic coinage: from the accession of Alexander to the peace of Apamea (336–188 B.C.), 2001; Griechische Münzen: Faszination und Geschichte, Aufzeichnungen eines Sammlers, 2005; Helmut Baumann: Pflanzenbilder auf griechischen Münzen, 2000; Michael Pfrommer: Alexandria, Im Schatten der Pyramiden, 1999; Werner Huß: Ägypten in hellenistischer Zeit: 332–30 v. Chr., 2001; Wolfgang Leschhorn: Lexikon der Aufschriften auf griechischen Münzen, Bd. 2, Ethnika und „Beamtennamen“, 2009; Gerhard J. Bellinger: Lexikon der Mythologie 1989 (Nachdruck 1997); Max Kunze (Hrsg.): Die Sieben Weltwunder der Antike: Wege der Wiedergewinnung aus sechs Jahrhunderten, 2003; Gerhard Fink (Hrsg. und Übersetzer): Ovid, Metamorphosen, Lateinisch-Deutsch, 2004; Hubert Cancik, Helmut Schneider (Hrsg.): Der neue Pauly: Enzyklopädie der Antike, 16 Bde., 1996–2003.Den in den Bildunterschriften erwähnten Auktionshäusern, Münzhandlungen und Quellen sei an dieser Stelle ausdrücklich und herzlich gedankt.

Erschienen in: "Münzen & Sammeln" 2017-01

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