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Dietmar Kreutzer

Österreichs Kriege: Der doppelte Staatsbankrott

Die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts hatten die österreichischen Staatsfinanzen stark strapaziert. Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) war zu einem Fass ohne Boden geworden. Die österreichische Beteiligung an der Teilung Polens erwies sich als wenig rentable Investition. Der Bayerische Erbfolgekrieg (1778-1779) und der Russisch-Österreichische Krieg gegen die Türken (1787-1792) blähten den Militärhaushalt erneut auf. Die kostspieligen Reformen von Kaiser Joseph II. blieben glücklos. Sie waren 1790 von seinem Nachfolger Leopold II. im Handumdrehen wieder kassiert worden. Kaum war dies geschehen, brach der erste Koalitionskrieg gegen Frankreich aus. Doch sowohl dieser wie auch der zweite gingen verloren. Zur Finanzierung war eine festgelegte Menge an Papiergeld ausgegeben worden: „Erzherzog Carl, der seit 1801 Kriegsminister war, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Staat nach den beiden verlorenen Kriegen innerlich wieder aufzurichten. Es zeigten sich die Folgen der abgebrochenen Reformen Josephs II. und Leopolds II. in erschreckender Deutlichkeit.

Bei seinen Reisen durch die österreichischen Länder fand der Erzherzog die Bewohner verzweifelt, die Wirtschaft darniederliegend, die Justiz verkommen, den Unterricht verwahrlost.“ (Ernst Joseph Görlich / Felix Romanik: Geschichte Österreichs, Wien 1995, S. 312). Die Staatsschulden kletterten nun in rasanter Geschwindigkeit: „Papiergeld, die Bankozettel, waren in der Höhe von 400 Millionen Gulden im Umlauf. Für sechs Gulden Bankozettel bekam man fünf Gulden in Münzgeld. Daher wollte jeder Münzgeld erhalten und hortete es. Erzherzog Carl sagte weitsichtig den kommenden Staatsbankrott voraus.“ (Ebenda). Mit der erfolglosen Wiederaufnahme der Kriegshandlungen gegen Frankreich setzte sich der Niedergang der österreichischen Währung fort: „Das österreichische Papiergeld, der Bankozettel, sank ständig im Wert. Eine Inflation war unvermeidlich. Anfang 1799 waren 91,8 Millionen, 1801 bereits 200,9 Millionen und 1806 bereits 377,1 Millionen Gulden Papiergeld im Umlauf. Es konnte nur durch staatlichen Zwangskurs im Inland gehalten werden. Auch der Krieg des Jahres 1809 wurde mit Papiergeld geführt, das man rasch drucken ließ. Am Ende des Krieges hatte Österreich eine Staatsschuld von 716 Millionen Gulden. Die vier großen Wiener Bankhäuser, Fries & Co., Geymüller & Co., Arnstein & Eskeles, Steiner & Co., waren nicht imstande, Kredit zu gewähren, obwohl der Kaiser einen Teil des Familienschmuckes um 600.000 Gulden verpfändete.“ (Ebenda, S. 327). Im Frieden von Schönbrunn verpflichtete sich Österreich im Jahre 1809, an Frankreich eine Kriegskontribution von 85 Millionen Francs zu zahlen. Ungewöhnliche Maßnahmen mussten ergriffen werden. Aufgrund des „Silberpatents“ vom 19. Dezember 1809 war nun alles Silber mit Ausnahme von Löffeln, Uhren, Petschaften, chirurgischen Instrumenten und „antiken Medaillen“ abzuliefern. Der Gegenwert wurde in Bankozetteln oder Anleihen erstattet: „Nun verschwanden auch die letzten Silbermünzen aus dem Umlauf, wo sie mit ihrem steigenden Agio gelegentlich noch anzutreffen waren.“ (Herbert Rittmann: Deutsche Geldgeschichte, München 1975, S. 492f.). Gold- und Silbermünzen wurden nur noch für internationale Geschäfte und zur Entlohnung des Heeres geprägt.

Unter diesen Umständen nahm die Inflation immer weiter an Fahrt auf. Im Februar 1810 summierte sich die Menge des umlaufenden Papiergeldes auf 900 Millionen Gulden. Der am 26. Februar 1810 auf freiwilliger Basis durchgeführte Versuch, die Geldmenge durch in Silber konvertierbare „Einlösungsscheine“ zu reduzieren, scheiterte mangels Nachfrage. So blieb dem Kaiser nichts übrig als dem Rat seines Hofkammerpräsidenten (Finanzministers) Graf Wallis zu folgen und den Wert des Papiergeldes auf ein Fünftel herabzusetzen, also praktisch den Staatsbankrott zu erklären: „Am 20. Februar 1811 wurde das Patent versiegelt in alle Teile des Habsburgerreiches verbracht, um es auf Anordnung zeitgleich bekanntzugeben. Mit diesem Patent sollte die zu diesem Zeitpunkt mit 1.060.799 Gulden bezifferte Bankozettel-Menge in einem Verhältnis 1 zu 5 gegen sogenannte Einlösungsscheine umgetauscht werden. Diese wurden als Wiener Währung bezeichnet und waren nunmehr die einzige gültige Valuta im Habsburgerreich.“ (Martin Stermitz: Wirtschaft und Finanzen der Habsburgermonarchie 1787-1816; auf: zobodat.at, S. 113). Zugleich wurden alle Steuern, Abgaben, Sold- und andere Leistungen auf das Fünffache erhöht. Die Preise für Waren und der Mietzins für Wohnraum stiegen infolge des Patentes sprunghaft. Die Währungsreform bedeutete für zahlreiche Österreicher den Verlust eines Teils ihres Vermögens.

Doch die Geldnot war mit dieser Reform nicht behoben. Für die immens teuren Befreiungskriege musste neues Papiergeld ausgegeben werden, diesmal in Gestalt sogenannter Antizipationsscheine. Etwa zwei Milliarden Gulden sollen die Kriege gegen Frankreich das Reich gekostet haben. Der Wiener Kongress schlug dem Fass schließlich den Boden aus: „Dem Staat kostete der Kongress täglich 80.000 Gulden – und das, nachdem erst wenige Jahre vorher der Staatsbankrott die Finanzen Österreichs erschüttert hatte.“ (Görlich, S. 333). Am Ende des Kongresses stand das Land also nicht nur mit seinen Einlösungsscheinen der Wiener Währung da, sondern auch noch mit 70 Millionen Gulden an Antizipationsscheinen: „Es sei bemerkt, dass allein der Wiener Kongress 500 Millionen Gulden gekostet haben soll, die durch neue Papiergeldausgaben aufgebracht wurden.“ (Rittmann, S. 494). Zur Sanierung des Währungssystems ist am 1. Juni 1816 die Österreichische Nationalbank gegründet worden. In den Jahren danach sind die Zettel der Wiener Währung zu einem Kurs von 2,5 Papiergulden für einen Silbergulden umgetauscht worden. Dieser Währungsschnitt war die zweite Bankrotterklärung. Mithilfe der französischen Kriegskontributionen ging es aber endlich aufwärts. Österreich hatte zu dieser Zeit noch eine Silberwährung. Der Gulden war jedoch nur amtliche Rechnungseinheit. Als Münze wurde er nicht ausgebracht. Als vollwertige Kursmünzen kamen Taler nach dem Konventionsfuß von 1750/53 sowie diverse Scheidemünzen aus Silber beziehungsweise Kupfer in Umlauf. Als Handelsmünzen gab es Dukaten aus Gold.


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